Donavan und das süsse Leben
einen
Blick auf das Mädchen. »Es wird nicht lange dauern.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«,
sagte sie. »Der neue Drink wird mich schon beschäftigen.«
Ich folgte Hicks hinaus in den
Eingangsflur und zur Haustür, die weit offen stand. Die Besucherin saß auf der
Schwelle, gegen den Türrahmen gelehnt. Nur trug sie nicht mehr den Saville Row
Anzug, sondern einen Sweater, Reithosen und Reitstiefel. Sie hielt auch eine
Reitpeitsche in der einen Hand, aber das geronnene Blut um die klaffende Wunde
in ihrer Kehle bot im hellen Sonnenlicht nach wie vor einen grausigen Anblick.
Ich kniete nieder und stieß mit einem Finger sachte an ihren Körper. Er war
steif wie ein Brett, die Totenstarre war vollständig.
»Sie muß sich allmählich
überall ziemlich unerwünscht vorkommen, Kollege«, bemerkte Hicks.
»Die Leute haben wirklich einen
überaus subtilen Sinn für Humor«, sagte ich. »Wenn man an die Reitpeitsche
denkt...«
Ich hörte, wie hinter mir
jemand heftig nach Luft schnappte. Als ich mich umdrehte, sah ich Gloria Buchan
mit bleichem Gesicht dastehen.
»Gute Agenten sind immer
neugierig«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Das behauptet jedenfalls Charles,
und so dachte ich, ich sollte vielleicht einmal einen Blick auf Ihren Besuch
werfen.«
»Und?« sagte ich.
»Ich wollte bei Gott, ich hätte
es nicht getan!« Ihre Stimme schwankte. »Das ist Jennie Moss, nicht wahr?«
»Kennen Sie sie?«
»Ich habe sie nur einmal bei
Charles gesehen. Er wollte sie im Bordell einsetzen. Damals redeten sie über
Geld.«
Ihr Gesicht wechselte plötzlich
von Weiß in Grau, und sie begann vornüber zu kippen. Hicks fing sie
buchstäblich im letzten Augenblick noch auf.
6
Das Hotel strahlte das Maß an
Verzweiflung aus, das von allmählichem Verfall herrührt. Vermutlich war es in
der kühnen Hoffnung auf hereinströmende Mittelklasse-Gäste erbaut worden, und
nun wurde alles und jedermann freudig begrüßt. Einen Zimmerservice gab es
nicht, deshalb mußte ich Hicks in die Bar hinunterschicken, um trotz Christies
offensichtlicher Mißbilligung ein paar Drinks heraufzubringen.
»Es paßt mir gar nicht, daß Sie
überhaupt hierherkommen, Donavan«, erklärte er kalt. »Und Sie müssen vollkommen
übergeschnappt sein, auch noch mit einer Leiche im Kofferraum Ihres Wagens
anzurücken!«
»Ich habe gestern nacht schon
versucht, sie den Besitzern zurückzuerstatten«, sagte ich. »Aber offenbar
wollen sie sie nicht haben, denn sie haben sie zu mir zurückgeschickt. Ich
hoffte, Sie hätten möglicherweise noch einen anderen Vorschlag, was man mit ihr
tun könnte!«
»Ich will mich nicht in die
Sache hineinziehen lassen«, sagte er wütend. »Mir ist es völlig egal, was Sie
mit ihr unternehmen, Hauptsache, Sie werden sie los.«
»Arme Jennie Moss«, sagte
Gloria leise.
»Sie hat das Risiko auf sich
genommen und wurde gut dafür bezahlt«, sagte Christie in selbstgerechtem Ton.
»So was ist eben Pech. Das könnte jedem von uns zustoßen.«
»Aber es ist nun einmal Jennie
Moss zugestoßen«, erinnerte ich ihn. »Wie sind Sie überhaupt an sie
herangekommen?«
»Sie war ein professionelles
Callgirl«, erwiderte er kurz. »Wie ich Kontakt mit ihr aufnahm, spielt keine
Rolle. Aber es schien mir die ideale Möglichkeit zu sein, dort jemanden
einzuschleusen. Im Bordell würde sie gut für das bezahlt werden, was sie an
Dienstleistungen für ihre Kunden in London vollbrachte, und ich selbst habe sie
auch hervorragend honoriert.«
»Auf diese Weise sind Sie an
die Namenliste geraten, die Sie mir nicht verraten wollten und auf der auch
Fontaines Name stand, nicht wahr?« fragte ich.
»Natürlich.« Er nickte schnell.
»Es klappte alles ausgezeichnet. Ich möchte wissen, wie zum Teufel sie ihr auf
die Schliche gekommen sind.«
»Wie hat sie die Informationen
hinausgeschmuggelt?«
»Das ist nicht wichtig.«
»Jedenfalls nicht per Post«,
sagte ich. »So dumm wären die Leute dort nicht gewesen. Vielleicht durch
persönlichen Kontakt? Möglicherweise mit Ihnen?«
»Glauben Sie vielleicht, ich
würde persönlich ein Bordell besuchen?« Seine Augen quollen hervor, während er
mich finster anstarrte.
»Dann also jemand anderer«,
sagte ich. »Vielleicht der dritte Sekretär von der Botschaft? Wie hieß er noch
— Simpson?«
»Das geht Sie nichts an,
Donavan.«
Hicks kam mit den Drinks und
verteilte sie. Christie trank reines Tonic-Wasser mit einer Scheibe Limone
darin. Das paßte zu ihm.
»Sie hatten keinen
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