Doppelspiel
hinter sich schloss, deutete er auf einen Metallkoffer in der Ecke des Raums.
Waller drehte sich wieder zu dem Gefangenen um und packte den Mann an seinem verdreckten Haar. »All das nur, weil du mich für einen Kanadier hältst? Bist du wirklich so dumm?«
Zum ersten Mal funkelte so etwas wie Interesse in Abdul-Majeeds Augen. »Weil ich dich für einen Kanadier halte ? Willst du damit sagen, du bist keiner?«
»Nein, Abdul-Majeed, ich bin kein Kanadier.« Waller zog das Jackett aus und krempelte den Ärmel hoch, bis eine kleine Tätowierung auf der Innenseite des Oberarms zu sehen war. Die hielt er dem Muslim unter die Nase. »Siehst du das? Weißt du, was das heißt?«
Abdul-Majeed schüttelte den Kopf. »Ich kenne diese Zeichen nicht.«
Waller legte den Finger darauf. »Das sind Buchstaben.«
»Das ist kein Englisch«, sagte Abdul-Majeed. »Mein Englisch ist gut. Ich weiß nicht, was das ist.«
»Das ist Ukrainisch, geschrieben in einer Variante des kyrillischen Alphabets. Das steht für die 5. Hauptverwaltung, die in der Sowjetunion für die Bekämpfung und Eliminierung innerer Feinde zuständig gewesen ist. Ich habe meinen Job geliebt. So sehr sogar, dass ich ihn mir in die Haut gebrannt habe.«
Abdul-Majeed riss die Augen auf. »Du bist Ukrainer?«
Waller ließ den Ärmel herunter und zog das Jackett wieder an. »Das ist so nicht ganz korrekt. Ich habe mich vor allem immer als Sowjetbürger betrachtet. Aber vielleicht ist das ja nur Haarspalterei. Wie auch immer … In jedem Fall war in der Ukraine ein Großteil des sowjetischen Nuklearwaffenarsenals stationiert. Verstehst du es jetzt? Ich habe noch immer viele Kontakte dort.«
»Warum hast du uns das nicht gesagt?«, spie Abdul-Majeed.
Waller zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Ich muss euch nicht meine Biografie erzählen, sondern euch nur genug HAU besorgen, um eine amerikanische Großstadt in die Luft zu jagen. Weißt du eigentlich, was HAU wirklich ist, Abdul-Majeed?«
»Allahs Waffe.«
»Nein, das hat mit Allah nichts zu tun«, erwiderte Waller verächtlich. »Uran ist ein natürlich vorkommendes Metall, das man auf der ganzen Welt in geringen Mengen findet. Erst die Deutschen haben während der Hitlerzeit erkannt, dass man damit auch Menschen und Sachwerte in großem Maßstab vernichten kann. Hast du gewusst, dass man hochangereichertes Uran einfach so in der Hand halten kann und die Wirkung erst Jahre später spürt? Ich habe das selbst schon gemacht. Das war natürlich dumm von mir, aber allein die Vorstellung, so viel Macht in der bloßen Hand zu halten … Ich war damals ein junger, dummer Mann, und die Versuchung war einfach viel zu groß. Aber die Nachwirkungen werden mich vermutlich frühzeitig ins Grab bringen.
Man braucht fünfzig Kilo oder fast hundertzehn Pfund von der Substanz, um eine nukleare Explosion herbeizuführen. Und hat man nur schwach angereichertes Uran, dann benötigt man sogar fast eine Tonne von dem Zeug für eine einzige Atombombe. Von Plutonium wiederum braucht man weit weniger, knapp zwanzig Pfund. Aber im Gegensatz zu Uran kommt Plutonium nicht natürlich vor, sondern entsteht bei der Wiederaufbereitung von nuklearem Material aus Kernkraftwerken. Und kein Land der Welt würde zulassen, dass Terroristen das in die Finger bekommen. Um das zu verhindern, enthält jede Marge die chemische Signatur des Ursprungslands. Das ist wie ein Fingerabdruck.«
»Du hast uns genug Material für eine Kofferbombe versprochen«, sagte Abdul-Majeed.
Waller schüttelte enttäuscht den Kopf. »Wenn du schon den Atomterroristen spielen willst, dann solltest du dir mal ein wenig Zeit nehmen und dich mit der Wissenschaft beschäftigen, die dahintersteckt. Nukleare Kofferbomben sind Schwachsinn. Das gibt es nur in Hollywood oder der Fantasie von paranoiden Politikern. Wir reden hier eher von einer Autobombe. Vielleicht kann man es noch ein wenig kleiner machen, aber der Aufwand wäre enorm und damit kontraproduktiv. Außerdem wäre solch ein ›Koffer‹ dann mehrere hundert Kilo schwer. Dafür braucht man schon einen sehr kräftigen Mann. Nein, was ich euch versprochen habe, ist genug hochangereichertes Uran für den Kern einer Atombombe, also spaltbares Material aus fünfundachtzig Prozent Uran-235. Das nennt man ›waffenfähig‹. Ich kann euch aber auch Material mit zwanzig Prozent Uran-235 anbieten. Der Knall wäre dann zwar nicht ganz so laut, aber der Fallout genauso übel.«
Waller stand auf und ging durch den
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