Doppelspiel
die Höhe. »Legen Sie ein wenig Eis darauf, bevor es anschwellen kann«, empfahl er ruhig.
»Ich … Ich habe nur versucht, Sie zu beschützen«, stammelte Rice und hielt sich das Kinn.
»Wenn ich beschützt werden müsste, wäre das bewundernswert. Dem ist jedoch nicht so.« Waller starrte dem anderen Mann in die Augen. »Sie sind mein Mitarbeiter, Alan. Sie sind mein Untergebener . Vergessen Sie das nie. Sie werden nie mit mir auf einer Stufe stehen. Haben Sie verstanden, was ich Ihnen damit sagen will?«
»Ja.«
Waller legte ihm den Arm um die Schulter. »Gut, dann lassen Sie uns nicht mehr davon reden.«
Rice ging, um sich etwas Eis zu holen, und Waller starrte mürrisch aus dem Fenster. Er würde niemals zulassen, dass irgendjemand sein Urteilsvermögen oder seine Autorität infrage stellte, und Alan Rice hatte gerade fast beides gemacht. Wäre noch jemand anders im Raum gewesen, der das hätte hören können, Waller hätte vermutlich den Tod seiner ›rechten Hand‹ befohlen. Auch hatte Alan gerade einen bemerkenswerten Grad an Unabhängigkeit bewiesen, und das war wahrlich besorgniserregend.
Aber lag in seinen Worten vielleicht auch ein Körnchen Wahrheit? Musste er wirklich beschützt werden, vor allem vor sich selbst? Ja, er hatte sich in Jane Collins verguckt; das hätten viele Männer. Und dass sie in unmittelbarer Nähe wohnte, vergrößerte dieses Gefühl noch. Und die Frau widerstand ihm … Nun, das war mal eine Herausforderung. Sie war unabhängig, offen, stur und ließ sich nicht so leicht manipulieren. Waller wollte sie besitzen. Unbedingt.
Und das würde er auch. Davon war er überzeugt.
Kapitel fünfundfünfzig
R eggie stand früh auf und schwamm ein wenig, noch bevor es dämmerte. Normalerweise war das am letzten Tag einer Mission immer so mit ihr. Sie machte stets irgendetwas Angenehmes, denn das könnte der letzte Tag ihres Lebens sein. Das Wasser fühlte sich kühl auf ihrer Haut an, als sie gleichmäßig durch es hindurchpflügte. Dabei schaute sie gar nicht erst nach, ob sie jemand vom Nachbargrundstück aus beobachtete. Es war nicht mehr von Bedeutung.
Nachdem sie mit Schwimmen fertig war, ging Reggie ins Haus und die Wendeltreppe ins Badezimmer hinauf und zog ihren Bikini aus. Einen Augenblick später wirbelte sie herum und starrte in die andere Ecke des Raums. Sie war sicher, etwas gehört und einen Schatten gesehen zu haben … doch da war nichts.
Sie schloss die Tür ab, duschte und ließ das heiße Wasser über ihren Körper laufen. Kurz vor dem Ende einer Mission war sie immer nervös, denn dann würde die Person, die sie umbringen wollte, herausfinden, wer sie wirklich war.
Doch jetzt dachte Reggie an Bill Young. Sie wusste, dass sie ihn nicht hätte besuchen sollen. Doch irgendetwas in ihr, etwas, das tief in ihr verborgen gewesen war, hatte sie dazu gezwungen. Aber auch das war jetzt egal. Nach dem heutigen Tag war alles egal. Was sie fühlte. Was er fühlte. Sie würden einander nie wiedersehen. Reggie schaute in ihre eigenen Augen im Spiegel und erinnerte sich an den Funken, der zwischen ihnen gezündet hatte, als ihre Hände sich berührt hatten. Wie er sie angeschaut hatte. Wie sie so hart darum gekämpft hatte, in seiner Nähe die Fassung zu bewahren.
Hör auf damit, Reggie. Hör sofort damit auf.
Reggie trocknete sich die Haare ab und zog Slacks, Sneakers und ein weites Hemd über dem Tanktop an; dann band sie sich noch ein Tuch ins Haar. Die Schuhe hatte sie sich vor allem aus praktischen Gründen ausgesucht für den Fall, dass sie rennen musste, und das Haartuch konnte man auch als Garrotte missbrauchen. Doch sollte sie auf so verzweifelte Maßnahmen zurückgreifen müssen, standen ihre Überlebenschancen ohnehin nicht gut. Seit Wochen schon sah sie ständig die Bilder von Fedir Kuchins Opfern vor ihrem geistigen Auge.
Was ich heute tun werde, tue ich für euch , dachte sie.
Reggie blickte aus dem Fenster und auf das Kopfsteinpflaster unten. Die ersten Leute gingen schon zu Fuß den Berg und zum Markt hinauf. Sie sahen glücklich und aufgeregt aus. Reggie war das alles auch … na ja, vielleicht nicht glücklich … noch nicht. Kleine Autos und Vans fuhren langsam vorbei; sie waren bis oben hin mit Waren vollgepackt. Während Reggie dort stand, kamen Whit und Dom vorbei; sie trugen große Seesäcke in der Hand. Keiner der beiden schaute zu ihr hinauf, und ein paar Augenblicke später waren sie verschwunden. Der neue Kniff, den Whit dem Plan hinzugefügt
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