Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
uns.«
Taren saß am Fenster in seinem Zimmer und sah zu, wie die letzten Spuren des Sonnenuntergangs den Himmel färbten. Sein Herr, dachte er, hätte diesen Anblick genossen. Nur ein Augenblick des Nachdenkens, und Fürst Jhanun hätte ein Gedicht verfaßt, das den rotgestreiften Himmel mit … mit … nun, mit irgend etwas verglich. Und er würde lauschen, und ihm würde klar werden, wie wahr, wie angemessen diese Worte waren und daß der Himmel tatsächlich genauso aussah.
»Was«, dachte er laut, »würde Fürst Jhanun …«
Erhielt inne, als sein Diener hereinkam. »Herr, Lleld Kemberaene möchte mit Euch sprechen. Sie fragt, ob es Euch gut genug geht, daß ihr sie empfangen könnt.«
Die Götter mögen sie verfluchen! Was wollen all diese Leute jetzt schon wieder?
»Selbstverständlich«, erwiderte er und wandte dem Kir eine entzückte Miene zu. »Meine Freunde sind mir jederzeit willkommen!«
Als der kleine Drachenlord hereinkam, erhob sich Taren wie ein wesentlich älterer Mann aus seinem Sessel.
Lleld Kemberaene sagte besorgt: »O Taren, es tut mir leid. Geht es Euch heute nicht gut?«
»Liebe Freundin, Euer Anblick nimmt mir jeden Schmerz«, sagte Taren und bedachte sie mit einem Lächeln. Als sie zurücklächelte, fragte er: »Und welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen dieses Besuches, Lleld?«
»Wir brauchen eine Karte von Jehanglan«, sagte sie. »Könnt Ihr uns eine zeichnen? Einer der Schreiber kann Euch dabei helfen, wenn es notwendig sein sollte.«
Verflucht. Das hatte er schon befürchtet. Auch das war, wie der Sprachunterricht, nichts, dessen er sich mit Lügen entledigen konnte. Wenn es einem dieser verfluchten Geschöpfe einfiel, seine Warnung gegen das Verwandeln in den Wind zu schlagen, und sie über Jehanglan flogen, würden sie jeden Irrtum erkennen. Nein, auch das war etwas, wo ihm keine Tricks helfen würden.
In einer Mischung aus Bewunderung und Überraschung sagte er: »Ah – wie dumm von mir! Daran hätte ich schon lange denken sollen. Selbstverständlich werde ich eine Landkarte zeichnen. Es wird mir ein Vergnügen sein.«
Euch alle in Ketten zu sehen, beendete er den Satz für sich.
Nie hätte er sich träumen lassen, einmal ein solch teures Bordell zu betreten! Dies war das einzig gute Bordell in der Stadt, das von Adligen und reichen Kaufleuten besucht wurde, die auf Durchreise waren, wenn die Kapitäne ihrer Flußbarken hier neue Vorräte aufnahmen. Das Bett war mit Seide bezogen, es gab Tintenzeichnungen an den Wänden, und die Becher, aus denen sie guten Reiswein tranken, waren aus feinem, weißem Porzellan. Hier gab es keine geborstenen Bettrahmen, keine Löcher in der Wand, durch die die Ratten hereinkamen. In einer Vase am Bett standen sogar frische Blumen, und die Frau war jung und hübsch und hatte noch all ihre Zähne.
Liasuhn konnte kaum glauben, wieviel Glück er gehabt hatte. Er hoffte wirklich, daß die beiden Männer ihn als Lehrling annehmen würden, wie sie angedeutet hatten. Dann konnte er ebenfalls lernen, für einen erfolgreichen Kaufmann zu arbeiten. Keine Hirse mehr, kein Tischeschrubben …
Als er ein leises, kehliges Stöhnen hörte, hätte er beinahe die Würfel fallen lassen. Er und Kwahsiu hatten dieses Würfelspiel begonnen, während Nalorih sich als erster mit der Frau beschäftigte. Unwillkürlich schaute Liasuhn hin. Es schien, als bekäme Nalorih wirklich genug für sein Geld. Liasuhn wandte sich verlegen wieder ab.
Der Gedanke, mit einer Frau zu schlafen, wenn andere Männer anwesend waren, stieß ihn gleichzeitig ab und erregte ihn. Er trank noch mehr Wein. Die Flüssigkeit traf seinen Magen mit einem Brennen, das ihm direkt in den Kopf ging. Er wagte einen anderen, raschen Blick; Nalorih störte sich offenbar überhaupt nicht an seinen Zuschauern.
Kwahsiu goß ihm mit einem Blinzeln und einem Grinsen, das deutlich sagte: Jetzt nicht mehr zuviel! noch einen Schluck Wein nach. Liasuhn hob den Becher, prostete ihm zu und trank.
Wieder stieg ihm der Wein direkt in den Kopf, und diesmal brannte er den letzten Rest von Angst und Zögern weg. Er vergaß alle Manieren und sah nun ganz offen zu. Er atmete schwer. Die Würfel lagen vergessen auf dem Tisch.
Anblick, Geräusche und Duft überwältigten ihn beinahe. Es war viel zu heiß in diesem Zimmer. Liasuhn zupfte sich das Hemd vom Hals. Es half nichts.
Als Nalorih sich endlich von der Frau wälzte und sie sich auf dem Bett umdrehte und ihm lächelnd zuwinkte, hätte sich Liasuhn
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