Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
als wäre er jemals mehr als ihr Freund gewesen. Soweit sie wußte, hatte Raven sich nie an ihren Onkel Kesselandt gewandt, um ihn um ihre Hand zu bitten, oder seinen Vater gebeten, das zu tun. Welches Recht hatte er also zu solcher Bosheit?
Sie packte Boreais Sattel und die Decke, nahm das Zaumzeug vom Haken und ging zum zweiten Mal an diesem Tag in den Auslauf hinaus. Sie pfiff, und der Hengst kam auf sie zu. »Wie wäre es mit einem schönen langen Ritt, Junge? Bevor ich einen gewissen besten Freund in den Hintern trete.«
Boreais Ohren zuckten, als er ihr den Kopf zuneigte. Aber dann ließ er sich friedlich die Satteldecke auf den Rücken legen.
Und Linden war beinahe noch schlimmer, dachte Maurynna. Raven hatte Prügel verdient, oder zumindest Schelte. Aber Linden hatte sich geweigert, das zu tun.
Am ärgerlichsten war sie allerdings auf sich selbst, weil sie sich von Linden hatte überreden lassen, Raven keine Standpauke zu halten. Vorsichtig legte sie den Sattel auf Boreais Rücken und schnaubte, während sie mit Schnallen und Riemen herumnestelte, an die sie immer noch nicht gewöhnt war; normalerweise sattelte einer der Stallknechte Boreal für sie. Zumindest brauchte sie sich keine Gedanken zu machen, wie sie ihm das Gebiß ins Maul schieben sollte.
Sie konnte sich von dem Streit einfach nicht losreißen …
… »Warum?« hatte sie wissen wollen. »Er hat den ganzen Morgen versucht, mit dir Streit anzufangen. Warum hast du ihm nicht einfach eine Tracht Prügel verpaßt?«
»Weil«, erwiderte Linden, »ich verstehe, wie er sich fühlt. Er hat dich verloren, Maurynna; er hat dich vollkommen verloren, und das weiß er.«
»Er hat mich nie besessen«, fauchte Maurynna zurück, »er war einfach mein Freund. Verdammt noch mal, zwischen uns ist nie mehr gewesen. Falls mich jemand je besessen hat, dann war es mein Haus. Nur sie hatten das Recht, mir mein Leben vorzuschreiben. Was für eine Unverschämtheit von Raven, von mir zu erwarten, daß ich freudig mein Schiff aufgebe und ihm nach Yerrin folge.«
Linden setzte dazu an, etwas zu sagen, und schloß den Mund dann wieder.
»Sprich es nicht aus«, warnte sie ihn. »Ich habe nicht versucht, auf die Seenebel zurückzukehren, weil die Herrin es befohlen hat. Nun, da ich ein Drachenlord bin, ist sie für mich, was Onkel Kesselandt für das Haus Erdon ist – das Oberhaupt dieses, meines neuen ›Hauses‹.«
Sie stolzierte im Zimmer herum, dann blieb sie stehen und arrangierte die Äpfel in der großen Steingutschale mit einer Heftigkeit, die dazu führte, daß zwei von ihnen auf den Tisch fielen. Sie starrte sie wütend an, griff dann nach einem und biß hinein, warf den anderen in die Schale zurück; dann ging sie weiter auf und ab, als könnte sie die Quelle ihrer schlechten Laune in eine Ecke drängen und dort niedertrampeln. Plötzlich blieb sie stehen. »Linden, hättest du mich gezwungen, die Seenebel aufzugeben, wenn es die Herrin nicht getan hätte?«
»Dich gezwungen? Nein«, hatte Linden gesagt und bedächtig den Kopf geschüttelt. »Ich hätte vielleicht versucht, dich zu überreden.« Und dann: »Es tut mir leid, aber das hätte ich getan.«
Bei diesen Worten hatte sie ihre Gemächer verlassen. Er war ihr nicht gefolgt …
Die letzte Schnalle war geschlossen; Maurynna schwang sich in den Sattel und griff nach den Zügeln. »Machen wir uns auf den Weg.«
Boreal trabte los.
Also gut, dachte Lleld. Zweifellos würde es Morien und den anderen Echtdrachen nicht gefallen, wenn ich mich ihnen aufdrängte. Aber was, wenn ich ihnen zufällig begegne, wenn sie weiter nach Norden fliegen? Ich bin nur unterwegs, um mich ein bißchen zu bewegen, das ist alles, und was für ein Zufall, wenn ich ihnen auf ihrem Heimweg begegnen sollte!
Sie flog einen großen Bogen um das Tal, so daß niemand, der sich dort aufhielt, sie sehen konnte, und flatterte nach Norden, so schnell ihre Flügel sie trugen.
Hier war sie also, auf ihrem Lieblingspfad – allein. Nein, nicht ganz allein, mußte Maurynna zugeben. Aber so gern sie Boreal hatte, er war doch nicht Linden.
Jedenfalls ist er nicht die Gesellschaft, die Linden üblicherweise für mich ist. Ich frage mich, dachte Maurynna, wie sehr er sich angestrengt hätte, um mich zu überreden, mein Schiff aufzugeben. Sie freute sich darüber, daß sie sich gegen ihn abgeschottet hatte, als sie zuvor gespürt hatte, daß er nach ihr »suchte«. Sie war noch nicht bereit, mit ihm zu sprechen. Vielleicht würde sie das
Weitere Kostenlose Bücher