Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
nächsten Stunde sterben konnte.
Mittlerweile wurde der Geruch nach Rauch stärker. Chandos klappte nun sein Visier herunter, die drei jungen Ritter und Jim folgten diesem Beispiel. Er hatte immer ein wenig unter Klaustrophobie gelitten, und nachdem er das Visier geschlossen hatte, schien es ihm, als werde sein Helm enger.
Jim hatte Mühe zu atmen und glaubte, wieder den Rauch in der Hütte zu riechen. Aber in diesem Augenblick trieb Chandos sein Pferd an, und seine Stimme wurde lauter.
»Also los, meine Herren!« rief er. »Bis jetzt waren wir leise, aber nun nicht mehr. Jetzt reiten wir!«
Er ließ sein Pferd traben. Die anderen folgten, und auch Gorp verfiel von selbst in Trab, ohne auf den Schenkeldruck Jims zu warten, um mit den Tieren neben ihm Schritt zu halten. Die Männer, die die Pferde am Zügel geführt hatten, waren verschwunden.
Die Bäume standen lichter. Aus dem Trab wurde Kanter. Alle hoben ihre Schilde und legten die Lanzen an. Vom Kanter gingen sie in den Galopp über.
Sie brachen wie ein Sturmwind auf die Lichtung.
In wenigen Sekunden nahm Jim die Szenerie in sich auf. Die Lichtung ähnelte der, auf der sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Auch hier floß ein Bach. Daneben standen die Zelte aufgereiht, und davor flatterten die Wimpel im Wind. Ein paar Gestalten, wohl Bewaffnete, die gerade bei der Morgentoilette waren oder das Frühstück vorbereiteten, blieben wie angewurzelt stehen und wandten sich um.
Aus dem Lager ertönten Rufe. Die Männer außerhalb der Zelte zogen Schwerter, um sich den Angreifern entgegenzustellen, oder wirbelten herum, rannten davon und wurden dabei niedergeritten oder aufgespießt. Innerhalb eines Sekundenbruchteils waren Chandos und seine Leute schon bei den Zelten angelangt. Einige Zelte wurden von den Pferden niedergetrampelt, aus einem anderen kam ein Mann herausgestürmt; ohne Rüstung, aber mit einem Breitschwert in der Hand, erschien er plötzlich vor Jim und Gorp. Das Roß stieg vor Schreck auf und schlug mit seinen Vorderhufen aus.
Der Mann ging zu Boden. Jim galoppierte ums Zelt herum, während ein anderer Bewaffneter mit aufgepflanzter Lanze geradewegs darauf zuritt. Das Zelt brach zusammen, als Jim es umrundet hatte. Aus den anderen Zelten stürmten weitere Männer, einige trugen einen Teil ihrer Rüstung – einen Helm, vielleicht einen Schild – andere nichts als ein Schwert. Jims schwankende Lanzenspitze verfehlte alle, die seinen Pfad kreuzten. Urplötzlich hatte er die Lichtung hinter sich, ritt in den Wald und versuchte, Gorp zum Halten zu bringen.
Das Pferd lief noch ein wenig weiter, bevor es endlich stehenblieb. Es schnaubte und rollte mit den Augen, entweder aus Furcht oder vor Aufregung. Schließlich schaffte es Jim, Gorp zu wenden. Auch andere Reiter waren bis in den Wald galoppiert und rissen nun ihre Tiere wieder herum. Unter ihnen war auch Chandos.
»Für Chandos!« schrie Sir John. Jim und die anderen schlossen zu ihm auf. »Mit mir zur Lichtung! Bildet eine Linie!«
Das mit der Linie war nicht leicht. Sie mußten den Bäumen ausweichen, behinderten sich gegenseitig und machten Bekanntschaft mit tiefhängenden Ästen. Infolgedessen waren etliche Flüche zu hören.
»Still!« brüllte Sir John. »Für Chandos! Für Chandos! Hierher, zu mir!«
Langsam nahm die Linie nun doch Gestalt an. Das Fußvolk war im Schutz der Bäume um die Lichtung herum gerannt und tauchte jetzt wieder hinter den Pferden auf. Die Linie rückte auf die Lichtung vor. Mittlerweile stand die Sonne über dem Horizont, war aber noch von den Bäumen verdeckt. Der Himmel war blau, abgesehen von ein paar Wolken im Westen.
Chandos hatte sein Visier geöffnet, damit man ihn hören konnte. Jim hatte seins ganz automatisch bereits einige Zeit vorher hochgeschoben. Er konnte sich gar nicht daran erinnern. Die meisten Visiere waren offen, die Gesichter der Reiter schweißbedeckt und gerötet.
»Sie formieren sich!« war die leise Stimme eines gepanzerten Reiters zu Jims Linken zu hören.
Irgendwie hatten die Männer aus den Zelten es in den wenigen Sekunden, in denen Chandos und seine Männer sich wieder formierten, geschafft, sich teilweise oder gar komplett zu rüsten und die Streitrösser zu besteigen. Sie bildeten auf der anderen Seite der Lichtung eine Linie.
Die gegnerische Linie ähnelte ihrer eigenen. Die schwer bewaffneten und gerüsteten Reiter befanden sich in der Mitte, und an den Flügeln standen die leichter gerüsteten Männer mit den leichten Lanzen.
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