Drachenseele (German Edition)
untergekühlt.
„Höhlenkinder! Das klingt nach einem typischen Klatschblatt. Woher kommen diese Zeitungsartikel?“ Clara wusste vermutlich nichts von dem zweiten Boden. Nicole zuckte mit den Schultern und nahm den nächsten Artikel in die Hand.
Höhlenkinder ohne Herkunft
Noch immer hat die Polizei keine Spur zur Herkunft der Höhlenkinder. Das Krankenhausteam kämpft rund um die Uhr um den Kleinsten der verwahrlosten Kinder. Die beiden anderen befinden sich auf dem Weg der Besserung.
Inzwischen gehen die Ärzte davon aus, dass es sich um unterschiedlich entwickelte Geschwister handelt. Von den Schwestern erhielten die ausgesetzten Kinder die Namen Melissa, Marvin und Marcus.
Nicole stockte, während sie den letzten Namen vorlas. Sie schaute auf, Marcus ins Gesicht. Marcus spürte, wie er seine Stirn in Falten zog. Ob er damit gemeint war? Nicole las den nächsten Artikel vor.
Kampf um den Kleinsten
Melissa und Marvin sind gestern früh einem Kinderheim anvertraut worden. Marcus, der Kleinste von ihnen, befindet sich noch immer auf der Intensivstation der Kinderklinik. Wie erst heute bekannt wurde, hatte der Spaziergänge an jenem Tag Marcus für tot gehalten und sich ausschließlich den beiden Geschwistern gewidmet. Erst vierzig Minuten nach der Bergung bemerkte ein Krankenpfleger die schwachen Lebenszeichen von Marcus. Dem Spaziergänger kann jedoch keine Schuld vorgeworfen werden. Ohne seinen spontanen Einsatz wäre eine Rettung der Kinder aussichtslos gewesen. Fraglich bleibt, ob sich der Gesundheitszustand von Marcus durch die verlorenen vierzig Minuten anders gestaltet hätte.
Wenn es hier wirklich um ihn ging, begann sein Leben bereits mit dem Kampf ums Überleben. Diese Tatsache traf Marcus wie ein Schlag. Er stand da, versuchte sich diese Situation auszumalen. In einer kalten, ungemütlichen Höhle hatte man ihn ausgesetzt. Seine Eltern kämen niemals auf die Idee, ihn zu suchen. Er war nicht gewollt, schlimmer noch, man hatte gehofft, die Flut würde die Kinder davonspülen, sie ertränken. Nicole trat an ihn heran, legte ihre Hände auf seine Wangen. „Marcus, irgendwo hast du Geschwister. Melissa und Marvin, du bist nicht allein.“
Ja, Nicole hatte Recht, er hatte eine Familie! Sein Verstand meldete sich zu Wort. Narvalvar war kein Mensch. Er - war kein Mensch. Wahrscheinlich standen Melissa und Marvin gerade ähnliches durch. Stones hatte behauptet er wäre zu früh, hatte er damit vielleicht seine Entwicklung zum Alien gemeint? Nein, der Kerl hatte Dr. Schneider auf dem Gewissen. Marcus durfte Stones nicht über den Weg trauen.
„Ich fühle mich schuldig. Clara wusste schon, warum sie dir diese Sachen nicht gegeben hat.“
Das fühlte sich für Marcus tatsächlich nach einer bitteren Wahrheit an. „In einer Höhle! Nicole, welche Mutter setzt ihre Kinder in einer Höhle aus. Sie hätte uns besser in einen Sack stecken sollen ...“
Nicole warf dazwischen „Hör auf Marcus!“ Leise fuhr sie fort, „heutzutage werden Babys auf den Müll geworfen, was glaubst du, wie sich diese Kinder fühlen, wenn sie davon erfahren. Überlege doch nur, es macht dich zu einem Kämpfer. Du hast als kleiner Säugling gekämpft und gewonnen.“
Wie gut, Nicole an seiner Seite zu haben. Sie konnte selbst in einer solchen Situation noch das Gute sehen. Nicole zog ihn an der Hand zur Tür. „Komm, ich mache uns etwas Leckeres zu essen. Danach schauen wir nach, wo Saint Pierre Port liegt, ja?“
Über das Internet fanden die beiden Berichte über Kindesmisshandlungen, sogar von verscharrten Kinderleichen in einem Kinderheim auf der Insel Jersey. Auch auf der Nachbari n sel Guernsey, wo Marcus gefunden wurde, sollen Kinder mis s handelt worden sein. Allerdings lagen diese Vorwürfe Jahre zurück. Nicole schlug vor, das Krankenhaus anzuschreiben, um zu erfahren, welchem Heim Melissa und Marvin seinerzeit a n vertraut worden waren. In seiner eigenen Vergangenheit weiter zu suchen, ergab für Marcus keinen Sinn; weder seine Pflegee l tern noch seine Adoptiveltern konnten ihn zu seinen wahren Wurzeln führen. Seine Eltern hegten an ihm kein Interesse, dies war ihm durch die Zeitungsartikel klar geworden. Für ihn zählte nur noch eines; seine Geschwister zu finden. Er brauchte Geld und einen neuen Job, um nach England zu reisen, auch einen gefälschten Pass, eine neue Identität musste her. Marcus Son n tag existierte nicht mehr. Ehemaligen Arbeitskollegen sowie den Bewohnern aus der
Weitere Kostenlose Bücher