Drachentempel 02 - Drachenfeuer
Glassockel. Das goldene Induktionsnetz war eng um seine Mittelsektion geschlungen. Sonnenlicht glitzerte auf einzelnen Fasern. Elektrohydraulische Motoren heulten laut in der stillen Luft.
»Willkommen in der Welt«, sagte Lawrence. »Ich vermute nicht, dass du sichtbares Licht wahrnehmen kannst?«
»Nicht direkt«, antwortete der Drache. »Allerdings empfange ich die Bilder von dir und von anderen Menschen. Ich weiß, wie Arnoon aussieht. Es ist ein wunderschöner Ort.«
Die Patternformsequenzer hatten nicht nur Lawrences Hüfte und Bein repariert. Sie hatten auch einen Cluster seiner Neuronen modifiziert und ihm eine Fähigkeit ähnlich einem implantierten DNI verliehen. Digitales Schreiben, nannte Denise es. Die Nanopartikel veränderten die Zellstrukturen auf eine direkte Art und Weise, wie es durch die viralen Methoden, die die Menschen einsetzten, niemals zu erreichen gewesen wäre, und das ganz ohne Keimzellenbehandlung. Eine neue DNS mit Viren einzubauen war wie eine Schrotflinte gegen ein Organ oder einen Muskel zu richten. Dies hier war wesentlich präziser und selektiver.
»Aber Sie haben nicht jedem hier im Dorf diesen Kommunikationscluster gegeben?«, hatte er Denise gefragt.
Sie hatten den größten Teil des Morgens zusammen in dem Schneebaum-Pavillon gesessen und darüber geredet, wie der Drache in den Orbit und an Bord eines Raumschiffs zu schaffen wäre. Sie gingen höflich miteinander um, nicht mehr. Es war zu viel geschehen, um eine Freundschaft entstehen zu lassen.
»Nein«, hatte sie geantwortet. »Nur Leute wie ich und Raymond und Jacintha brauchen ihn. Wir wollten schließlich keine Superkrieger züchten. Die Erweiterungen, die wir den Kindern mitgegeben haben, sind gutartiger und nutzbringender.«
»Ähnlich viraler Keimzellenbehandlung?«
»Ja. Die Patternformsequenzer haben keine Mühe, die DNS direkt zu ändern. Wir haben jeden mit Widerstandsfähigkeit gegen Krebs, allgemein stärkeren Immunsystemen, besseren Organen, wesentlich höherer Lebenserwartung und einem höheren IQ ausgestattet. Die Veränderungen werden permanent sein und sich mit den Generationen ausbreiten. Arnoon wird nicht länger vom Drachen abhängig sein.«
»Und das Essen?«, fragte er. Auf dem Tisch vor ihm stand eine geschnitzte Holzschale mit zahlreichen verschiedenen Früchten darin. Er legte den Finger auf den Rand der Schale und drückte ihn herunter, sodass die Schüssel von einer Seite zur anderen schaukelte.
»Die Pflanzen sind ebenfalls genetisch angepasst«, sagte Denise. Sie genoss sein Unbehagen. »Und sie sind dominant. In hundert Jahren wird dieser Wald ein Obstgarten, der eine ganze Stadt ernähren kann. Niemand wird noch Proteinzellenfabriken brauchen. Eine weitere ökonomische Notwendigkeit, die der Vergangenheit angehören wird.«
»Eine ökonomische Notwendigkeit, die siebzig Prozent der Menschheit vor ewigem Hunger gerettet hat. Nahrung anzubauen ist eine schrecklich ineffiziente Methode zur Versorgung.«
»Das kommt darauf an, welche Massen man ernähren muss«, entgegnete sie. »Industrienationen mussten industriellen Landbau betreiben, um ihre Stadtbevölkerung zu ernähren. Wenn man statt dessen kleine, autarke Dorfgemeinschaften wie Arnoon hat, dann sind die Anforderungen ganz andere.«
»Eine Welt voller physisch getrennter Gemeinden, die alle durch den Datapool miteinander verbunden sind. Das wahre globale Dorf. Wissen gehört Jedermann, und jedermann geht seine eigenen Wege. Um so etwas zu unterstützen, braucht man Methoden zur Produktion im Mikromaßstab, und die besitzen wir nicht.«
»Ich weiß. Wir haben den Drachen studiert, so gut wir konnten, und wir haben jede Erinnerung kopiert, die er besitzt. Wenn wir das dem Rest der Welt geben, dann haben wir berechtigte Hoffnung, dass es eines Tages etwas Ähnliches wie die Patternformsequenzer geben wird. Es wird Jahrzehnte dauern, aber wir wollten auch keine Veränderung über Nacht. Es wird eine organische Revolution werden, die aus Wissen heraus entsteht. Sie muss gelingen, wenn nicht hier, dann auf einer neuen Welt. Die heutige Kultur kann nicht der einzige Weg sein, auf dem sich eine technologische Gesellschaft entwickelt. Sie kann nicht.«
Seine Augen blitzten spöttisch. »Eine Menge Vorurteile, die es zu überwinden gilt.«
»Gewiss, die gibt es.« Sie nahm einen Pfirsich aus der Schale und hielt ihm die Frucht hin.
»Sind Sie sicher? Das letzte Mal, als eine Frau mir so etwas angeboten hat, habe ich sie
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