Draußen wartet die Welt
in Bewegung. Ich hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten, und folgte Josh zu einem leeren Sitz. Ich war dankbar dafür, etwas Stabiles unter mir zu haben. Ich schaute aus dem Fenster, aber der Zug hatte die Station bereits verlassen und war an dem Mann mit den zerlumpten Kleidern und dem offenen Gitarrenkoffer vorbeigerauscht. Ich spürte Joshs Blick auf mir.
»Lass dich davon nicht runterziehen«, sagte er. »Es gibt Organisationen, die sich um Menschen wie ihn kümmern. Sie wissen, wo sie hingehen müssen, um Hilfe zu bekommen.«
Ich nickte, aber es fühlte sich trotzdem nicht richtig an. Zu Hause halfen wir uns alle gegenseitig. Wir brauchten keine Organisationen, die das für uns taten. Als mein Vater sich den Rücken verletzt hatte, hatte uns praktisch der ganze Bezirk die Tür eingerannt. Die Frauen waren mit dampfenden Aufläufen vorbeigekommen und hatten ganze Körbe mit Wäsche mitgenommen, die sie sauber und ordentlich zusammengefaltet wieder zurückgebracht hatten. Die Männer hatten abends nach ihrer eigenen Arbeit bei den Schreineraufträgen meines Vaters geholfen. Daniel war einer dieser Männer gewesen, wie mir jetzt wieder einfiel. Er hatte das Bücherregal fertig gebaut, mit dem mein Vater vor seiner Verletzung begonnen hatte. Ich erinnerte mich wieder daran, wie mein Vater – noch immer mit seltsam schiefem Oberkörper – mit seiner Hand über das Holz gefahren war und Daniels Arbeit mit einem zustimmenden Nicken bedacht hatte. Daniel war vor schüchternem Stolz ganz rot geworden.
Ich bemerkte, dass Josh mich mit nachdenklicher Miene beobachtete. »Sag mal«, begann er, »was machen die Obdachlosen denn da, wo du herkommst?«
»Da gibt es keine«, antwortete ich nüchtern. »Jeder bei uns im Bezirk hat ein Zuhause.«
»Aber habt ihr denn gar keine Probleme? Was ist, wenn das Haus von jemandem abbrennt? Oder sie ihr Geschäft verlieren?«
»Der ganze Bezirk kommt zusammen, um ihnen zu helfen und sie mit dem zu versorgen, was sie brauchen. Wenn eine Familie ihr Heim verliert, wohnt sie erst mal bei einer anderen Familie, bis das Haus wieder aufgebaut ist. Wenn sie Geld brauchen, sammeln die Ältesten Spenden, bis sie wieder auf den Beinen sind.« Während ich die Worte aussprach, kam mir der schockierende Gedanke, dass andere Menschen womöglich nicht so lebten.
Josh schüttelte den Kopf. »Dann lebst du in einer wahren Utopie. In einer perfekten Welt.«
»Wohl kaum«, erwiderte ich. »Auch wir haben unsere Sorgen und Nöte.«
»Aber ihr helft euch gemeinsam da raus«, entgegnete er. »Ich lebe in einer Welt, in der jeder Mensch eine eigene Einheit ist. Du lebst in einer richtigen Gemeinschaft.«
Ich dachte daran, was Valerie mir darüber erzählt hatte, dass Josh angefangen hatte, sich von seinen Freunden zu distanzieren. Vielleicht war er ja wirklich auf der Suche nach etwas Neuem und ich war etwas Neues.
»Ich weiß nicht«, sagte ich mit einem Grinsen. »Was denkst du, wie lange du es ohne dein Handy aushältst?«
Josh lächelte. »Treffer, versenkt!«, erwiderte er, und ich lachte mit ihm, auch wenn ich nicht wusste, was er damit meinte.
Draußen vor dem Fenster rauschte die Umgebung vorbei. Manchmal waren die Gebäude so nah, dass ich durch eines der Fenster sehen und einen Blick auf das Leben eines anderen Menschen erhaschen konnte. Dann hörte ich die Stimme eines Mannes, die donnernd verkündete: »Nächster Halt: Armitage.«
Als der Zug anhielt, stiegen die Leute aus, die an den Türen gewartet hatten. Ein Schwall neuer Fahrgäste schwappte herein und sie schauten sich im ganzen Waggon nach freien Sitzplätzen um.
»Komm«, sagte Josh. »Wir steigen an der nächsten Haltestelle aus.«
Wieder einmal folgte ich ihm und hielt mich dabei an den silbernen Stangen fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Nachdem sich die Türen geöffnet hatten, stiegen wir aus dem Zug und gingen den Bahnsteig hinunter. Ich blickte über meine Schulter und sah, wie eine weitere Menschenmenge im Zug verschwand, bevor dieser sich wieder auf den Schienen in Bewegung setzte.
Ich dachte daran, wie diese Züge den ganzen Tag und die ganze Nacht über hin und her fuhren, die einen Menschen ablieferten und die anderen einsammelten. Es war verstörend – eine Aufgabe, die nie zu einem Ende gebracht werden konnte. »Hast du Hunger?«, wollte Josh wissen. Ich nickte. Ich war hungrig, erschöpft und ein kleines bisschen traurig. Aber das konnte ich ihm nicht sagen. Er hätte nicht verstanden, dass
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