Dread Empire's Fall 01 - Der Fall des Imperiums
Martinez nahm sich einen Hocker und zuckte zusammen. Nachdem er so lange auf einem nicht für Menschen gebauten Stuhl gehangen hatte, taten ihm immer noch alle Knochen weh.
»Ich geb dir einen aus.«
»Danke, Ari. Ich nehme einen Sellaree.«
Der Rotwein wurde in einem speziellen Kelch serviert, dessen Rand mit einem glänzend weißen Keramikmaterial verziert war. Aus dem gleichen Material war die ganze Bar konstruiert, und obendrein hatte das Weinglas einen Streifen, dessen Farbe dem hellgrünen Teppich entsprach. Das Dunkelgrün der Offiziersjacken kam in dieser Umgebung gut zur Geltung.
»Also, Gareth …«, begann Abacha ungewöhnlich vorsichtig.
Martinez sah ihn an. »Ja?«
Der Kollege lachte. »Ich weiß nicht, ob es dich stört, aber anscheinend bist du jetzt berühmt.«
Martinez zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Berühmt? Ich?«
»Ich fürchte schon. Erinnerst du dich an den Kerl vom All-Sports Network, der gestern in der Operationszentrale angerufen hat?«
Martinez kratzte sich am Zweitagebart. »Panjit Soundso, glaube ich.«
Abacha lachte nervös. »Panjit Sesse, genau. Nun ja, wir hatten etwas Stress, wie du dich erinnern wirst, und ich wollte ihn kurz abfertigen. Das habe ich aber versäumt. Er schlug vor, ich sollte die Leitung offen lassen, und das habe ich anscheinend getan, ohne richtig darüber nachzudenken. Er hat alles mitgehört.«
»Alles?« Martinez überlegte, ob er etwas besonders Peinliches von sich gegeben hatte.
»Alles, bis meine Schicht zu Ende war und ich ging. Alles, was wir getan haben, wurde ans All-Sports Network übermittelt.«
»Haben die Zensoren nicht eingegriffen?«
»Anscheinend hatten sie an diesem Abend frei. Vielleicht haben sie sich das Fußballspiel angesehen - Lodestone gegen Andiron.«
Martinez bohrte behutsam weiter, als erforschte er mit der Zungenspitze einen löchrigen Zahn. »Ich … wir haben doch nichts gesagt, was uns …«
»Aber nein«, beruhigte Abacha ihn lachend. »Nichts, was uns Schwierigkeiten machen könnte. Du hast sogar sehr entschlossen reagiert und die Bitte um eine Rettungsmission an Kandinski geschickt, noch bevor du Lordkommandeur Enderby über die Situation unterrichtet hast.«
Martinez dachte, ein wenig verunsichert, nach.
Ob Enderby es wusste? Wenn nicht, würde irgendjemand es ihm sicherlich sagen. Natürlich war Enderby klar, dass irgendjemand Kandinski um eine Rettungsmission gebeten hatte.
Wenn der Informant ihn nur nicht mit der Nase darauf stoßen und ihn auf das Fußballspiel hinweisen würde: »Bei aller Freundschaft, Enderby, Sie lassen Ihren Adjutanten aber eine Menge Spielraum.«
Irgendjemand würde petzen. Die Flotte segelte nicht so sehr durch die mit Sternen besetzte Leere, sondern vielmehr durch ein Meer voller Gerüchte, durch eine wirre Masse von Informationen, Spekulationen, Tratsch, Intrigen, Selbstsucht und Geheimniskrämerei. Ohne direkt danach gesucht zu haben, war Martinez in eine ungeheure Zahl von Geheimnissen eingeweiht, von denen einige, sofern sie der Wahrheit entsprachen, wahrhaft beängstigend waren. Es spielte allerdings keine Rolle, ob sie der Wahrheit entsprachen oder nicht. Wichtig war allein, dass sie in der Flotte kursierten. Beispielsweise war bekannt, dass der naxidische Flottenkommandeur Toshueen seinem eigenen Sohn, weil er dessen Leistungen enttäuschend fand, den Kopf abgeschnitten und ihn anschließend verspeist hatte. Auch war bekannt, dass der Geschwaderkommandant Rafi seinen Kadetten befohlen hatte, ihn zu fesseln und zu schlagen. Und über Enderbys Frau war … nun ja, über sie war wirklich eine Menge bekannt.
Es spielte keine Rolle, dass Martinez gute und gewichtige Gründe hatte, diesen Geschichten keinen Glauben zu schenken. Die Flotte verbreitete stets Gerüchte über sich selbst, und einige davon waren unsterblich. Im Militärdienst herrschte eine enorme Nachfrage nach solchem Klatsch, und nun gab es eine neue Geschichte
- nämlich die, dass Lordkommandeur Enderby von seinem Adjutanten zum Narren gehalten worden war.
Martinez hatte immer gehofft, irgendwann einmal in einer solchen Geschichte vorzukommen, allerdings hätte er einen anderen Hintergrund vorgezogen. Nun gewann er den Eindruck, dass seine Beförderung, die sowieso schon am seidenen Faden gehangen hatte, endgültig dahin war.
Der Kummer darüber verflog jedoch rasch wieder. Er war viel zu müde, um sich allzu lange an einem Gefühl festzuhalten.
Schließlich verabschiedete er sich von Abacha und fuhr
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