Dread Empire's Fall 01 - Der Fall des Imperiums
von Flieder.
Sula lag unterdessen allein in ihrem stinkenden Cockpit und fragte sich, warum Martinez nicht wie üblich am Abend eine Botschaft geschickt hatte. Sie hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, zwei- oder dreimal am Tag seine Stimme zu hören, und erst jetzt, als er sich nicht
meldete, wurde ihr bewusst, wie sehr sie den Kontakt vermisste.
Möglicherweise ließ ihn sein Vorgesetzter Überstunden machen. Sie öffnete die Datei mit dem irdischen Porzellan und verbrachte die nächsten Stunden damit, nacheinander die Bilder von Vasen, Schalen und Krügen zu betrachten, alle sehr alt und ungeheuer seltene, kostbare Stücke. Im Geist streichelte sie die glänzenden, gesprungenen oder glatten Oberflächen und liebkoste mit den Fingerspitzen die unerreichbaren Schöpfungen der geschickten, unbekannten und schon vor langer Zeit verstorbenen Künstler.
5
»Er ist alt und widerlich«, zischelte Sempronia in Martinez’ Ohr. Mitfühlend betrachtete er seine jüngste Schwester.
»Tut mir leid, Proney.«
»Er folgt mir überallhin. Was ist, wenn er mich anfassen will?«
»Das musst du über dich ergehen lassen. Denk an die Familie.«
Sempronia kniff die Augen zusammen und starrte ihn an. »Ich denke an die Familie. Ich denke an dich , denn das ist alles deine Schuld.«
»Ah, da sind Sie ja.« PJ Ngeni tauchte, in jeder Hand ein Glas haltend, neben Sempronia auf. »Ich dachte, ich bringe Ihnen noch einen Cocktail.«
Mit einem strahlenden Lächeln drehte Sempronia sich zu ihm um. »Wie aufmerksam von Ihnen, vielen Dank!« Sie stellte den ersten Drink weg, den sie nicht angerührt hatte, und nahm den nächsten entgegen.
Martinez konnte sie nur bewundern, weil sie sich trotz des Drucks so tapfer schlug. Sempronia war sehr gut darin, ein lebhaftes junges Mädchen zu spielen, was ihn manchmal vergessen ließ, dass sie genau das tatsächlich
war. Jedenfalls meistens. Den Unterschied zwischen einer gelungenen Vorstellung und der echten Version konnte er nur an einer leichten Anspannung der Muskeln rings um die Augen erkennen.
PJ schien es kaum zu kümmern, ob Sempronia sich verstellte oder nicht. Auch er selbst spielte irgendeine Rolle, in diesem Fall wohl die des aufmerksamen, rücksichtsvollen Kavaliers. Er war groß, schlank und elegant, zog häufig amüsiert die Augenbrauen hoch und hatte einen kleinen Schnurrbart. Ihm fehlte der Kanonenkugelkopf der Ngenis, und sein Haaransatz hatte sich bereits etwas nach hinten verlagert. Trotz seines Misstrauens hatte Martinez bisher nichts gefunden, was gegen den Mann sprach, wenn man von den Armbändern und dem Reversanhänger aus gebleichtem, gewebtem Menschenhaar absah - typisches Glitz-Accessoire.
PJ sah Martinez fragend an. »Es ist doch eine Schande, was mit Blitsharts passiert ist«, sagte er. »Schade, dass Sie ihn nicht retten konnten.«
»Oh, ich habe ihn ja gerettet«, widersprach Martinez. »Leider war er in diesem Augenblick aber schon tot.«
PJs Augenbrauen schwangen sich zu ungeahnten Höhen auf, dann lachte er. »Blitsharts war ein anständiger Kerl«, sagte er. »Witzig wie Sie. Früher habe ich oft auf ihn gesetzt und gewonnen.« Er schüttelte den Kopf. »In der letzten Zeit aber nicht mehr. Das Glück hatte ihn verlassen.«
»Sind Sie etwa ein Spieler?«, fragte Sempronia und fügte mit ihrem Blick unmissverständlich hinzu: Und brauchen Sie deshalb meine Mitgift?
PJ zuckte mit den Achseln. »Hin und wieder überkommt es mich eben. Ein Mann braucht so etwas, das wird sogar erwartet.«
»Was wird denn sonst noch alles von einem Mann erwartet?« Martinez kannte dieses strahlende Lächeln, das den rachsüchtigen Schimmer in den Augen verbergen sollte.
PJ erschrak angesichts dieser Frage. »Nun ja, er muss sich zum Beispiel gut anziehen. Gesellschaftliche Ereignisse wahrnehmen. Schöne Dinge besitzen.«
Sempronia hakte sich bei ihm ein. »Es muss doch noch mehr geben. Bitte erzählen Sie mir alles, was Sie darüber wissen.«
Martinez sah seiner Schwester nach, die ihr Opfer abschleppte und offenbar die Absicht hatte, alle kleinen gemeinen Geheimnisse aus ihm herauszuholen. PJ würde für die Heiratspläne seiner Familie teuer bezahlen müssen.
Martinez dagegen genoss das Fest. Lord Pierre hatte den Martinez-Klan einfach zu einer Dinnerparty eingeladen, die ohnehin schon auf dem Terminkalender gestanden hatte. Daher würden sie bald mit Leuten speisen, die normalerweise völlig außer Reichweite waren. Zu den Gästen zählten drei Konvokaten, ein
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