Dreikönigsmord (German Edition)
sie für ein paar Minuten allein gelassen hatte, in den Kneipenraum zurückkehrte. Er trug ein Tablett in den Händen, auf dem ein Tonkrug, zwei Holzbecher und -teller, ein Schälchen mit Butter sowie eine Platte mit Brot und Schinken standen.
»Ich dachte, Sie sind vielleicht auch hungrig.« Er stellte das Tablett auf einem Hocker ab und setzte sich zu Jo. »Das Brot ist übrigens selbstgebacken.«
»Ja, ich habe wirklich Hunger.« Sie nahm sich ein Stück, bestrich es dick mit Butter und legte drei Scheiben Schinken darauf. Gierig biss sie hinein. Das Brot schmeckte würzig und nach Vollkorn. Das waren mindestens 300 Kalorien. Ach, egal … »Lecker …«, brachte sie mit vollem Mund hervor. »Sie kochen wirklich toll.«
»Oh, ich mache das einfach gern.« Lutz Jäger lachte. »Wichtig ist, das Mehl, das man hier so bekommt, noch einmal gründlich durchzusieben, sonst enthält es zu viele Spelzen. Aber, um auf unseren Fall zurückzukommen … Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass wir unbedingt herausfinden müssen, wem dieses Haus mit den in den Türrahmen geschnitzten Maulbeerblättern gehört. Also, wer jener ominöse Freier ist, der es sich leisten konnte, Anselm für ganze Nächte zu buchen.« Auf dem Weg zu der Kneipe hatte Jo ihrem Kollegen kurz berichtet, was sie von Frowin erfahren hatte.
Sie trank einen großen Schluck Wein, ehe sie düster sagte: »Ich darf gar nicht daran denken, wie viel Arbeit es sein wird, diese Tür zu finden. Normalerweise wäre das eine Aufgabe, mit der man Polizisten in der Ausbildung betrauen könnte …«
»Ach, wenn wir Glück haben, wird das gar nicht so zeitaufwändig werden.« Lutz Jäger winkte ab.
»Ihren Optimismus hätte ich gern.« Jo stöhnte, während sie sich wieder das Schinkenbrot in den Mund schob. »Wir wissen ja nicht einmal, ob diese Tür direkt an einer Straße liegt. Möglicherweise steht das Haus, zu dem sie gehört, in einem Hof. Wie sollen wir uns denn dort Zugang verschaffen? Wenn ich Sie daran erinnern darf: Wir können nicht mit unserem Dienstausweis herumwedeln.«
»Da ist es doch gut, dass Ihr Kollege eine Kneipe betreibt, in der jede Menge Menschen ein und aus gehen. Handwerker und Fuhrleute betreten Häuser. Und sie kennen wieder andere Leute, die zu anderen Gebäuden Zugang haben. Ich werde also einfach unter meinen Gästen verbreiten, dass ich nach einer Tür mit einer Maulbeerblatt-Verzierung suche. Eine Wette dürfte ein plausibler Grund sein.«
Jo nickte. »Das ist eine gute Idee. Dann werde ich mich morgen wieder einmal zum Kloster Waldungen auf den Weg machen und herauszufinden versuchen, ob Anselm dort irgendwo Geld versteckt hat.«
Lutz Jäger griff nach dem Krug, um Wein nachzuschenken.
»Für mich nur noch ein bisschen«, sagte Jo. »Ich spüre den Alkohol jetzt schon.«
Ihr Kollege betrachtete sie mit schiefgelegtem Kopf. »Nicht, dass ich Ihnen jetzt zu nahe treten möchte … Aber Sie haben mich ja sozusagen in einer sehr intimen Situation gesehen. Also, persönlicher geht es kaum noch … Meinen Sie nicht, dass es deshalb jetzt vielleicht an der Zeit wäre, vom ›Sie‹ zum ›Du‹ zu wechseln? Es wäre auch überhaupt nicht gegen die Dienstvorschriften.« Lutz lachte, aber es war ein freundschaftliches Lachen.
»Ich würde sogar mit Ihnen, ich meine, mit dir aufs Du trinken, wenn es gegen die Vorschriften wäre«, erklärte Jo friedlich.
»Auf uns – und gegen die Dienstvorschriften.« Lutz hob seinen Becher, und sie stießen miteinander an.
Als sich Jo eine Weile später auf den Heimweg machte, blinkten da und dort zwischen dem Hochnebel Sterne hervor. Dienstvorschriften, dachte sie ein wenig beschwipst. War sie vorhin wirklich nur so wütend auf ihren Kollegen gewesen, weil sie geglaubt hatte, er hätte gegen seinen Eid verstoßen? Aber natürlich , meldete sich sofort eine sehr nüchterne Stimme in ihrem Kopf zu Wort. Welchen anderen Grund hätte es denn sonst für ihren Zorn geben können?
»Brr, mein Guter …« Am nächsten Vormittag brachte Jo den Braunen, der wieder ihren Schlitten zog, im vorderen Hof des Klosters Waldungen zum Stehen. Katrein gegenüber hatte sie behauptet, für ihren verstorbenen Gatten in der Klosterkirche eine Kerze anzünden und für ihn beten zu wollen. Womit sie erneut allen Argwohn der Magd beschwichtigt hatte. Manchmal, dachte Jo, hat die verschrobene Gedankenwelt des Mittelalters doch ihre Vorteile.
Nachdem Jo vom Schlitten gestiegen war, blickte sie sich nachdenklich um. Frischer
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