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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Sie wusste nicht, was sie oben erwartete.
     
    Alexa Barnard sah, wie die Leiche ihres Mannes an der Tür vorbeigetragen wurde. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Kummer.
    Tinkie Kellerman stand auf, setzte sich neben sie auf das Sofa und legte ihr sanft die Hand auf den Arm. Alexa empfand das
     starke Bedürfnis, von der zarten Polizistin in die Arme genommen zu werden, aber sie blieb still sitzen und schlug in einer
     verzweifelten Selbstumklammerung ihre eigenen Arme um sich. Sie ließ den Kopf sinken und sah, wie ihre Tränen auf den weißen
     Stoff des Morgenmantelärmels tropften und darin verschwanden, als hätten sie nie existiert.
     
    Rachel Anderson hielt kurz vor dem Ende der Treppe inne und spähte mit klopfendem Herzen über den Rand der schmalen Schlucht.
     Nichts. Nur der Berg. Stille. Noch eine Stufe höher. |85| Und wenn sie hinter ihrem Rücken standen und sie beobachteten? Erschrocken drehte sie sich um, aber da war niemand. Vorsichtig
     erklomm sie die letzten beiden Stufen. Links sah sie die Dächer der letzten Häuserreihe oben am Berg. Vor ihr lag ein Fußweg,
     der hinter den Häusern entlangführte, gesäumt von Schatten spendenden Bäumen. Rechts von ihr ragte der Fuß des Berges auf,
     weiter oben türmten sich die Felsen.
    Noch einmal blickte sie sich um, dann ging sie hastig, mit gesenktem Kopf den Weg entlang.
     
    Griessel fuhr zurück in die Langstraat. Der Verkehr hatte sich ein wenig beruhigt. Vusi hatte ihn gebeten, ins Cat & Moose
     zu kommen.
    »Was ist denn?«, hatte er seinen jungen Kollegen gefragt.
    »Ich erzähl’s dir, wenn du hier bist«, hatte Vusi geantwortet, als sei er nicht allein.
    Aber das war es nicht, was Griessel durch den Kopf ging. Unterwegs dachte er an Alexa Barnard. An ihre Stimme und ihre Geschichte,
     an ihre Schönheit, die sich hinter zwanzig Jahren Suff verbarg. Er fragte sich, ob es möglich war, das Bildnis der Jüngeren,
     Schöneren aus dem Gedächtnis hervorzurufen und auf ihr jetziges Gesicht zu projizieren, so dass man beide gleichzeitig sah
     – das Heute und das Gestern, so weit auseinander und doch untrennbar verbunden. Dann dachte er an die Gier, mit der sie den
     Gin getrunken hatte, und er wusste, dass es gefährlich gewesen war, dieser Heilung zuzusehen. Es hatte seine eigene Gier geweckt,
     so dass sie nun in ihm hing wie tausend lose Drähte. Eine Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte ihm zu, dass es ganz in der
     Nähe, in Kloof, einen Spirituosenladen gab. Ein Drink würde die Stromkabel wieder verbinden und die Elektrizität des Lebens
     wieder frei fließen lassen.
    »Verdammt«, sagte Bennie laut und bog absichtlich links in die Breestraat ab, um der Versuchung zu entfliehen.
     
    Als die Tränen versiegten, sagte Tinkie Kellerman: »Kommen Sie, es wird Ihnen bestimmt besser gehen, nachdem Sie gebadet haben.«
    |86| Alexa nickte und stand auf. Sie torkelte ein wenig beim Gehen, so dass die Polizistin sie führen musste, die Treppe hinauf,
     durch die Bibliothek und den Flur entlang bis zur Schlafzimmertür.
    »Könnten Sie hier draußen auf mich warten?«
    »Nein, das geht leider nicht«, sagte Tinkie voller Mitgefühl.
    Alexa blieb einen Augenblick unschlüssig stehen. Dann begriff sie. Man befürchtete, sie würde sich etwas antun. Und sie wusste,
     dass das nicht auszuschließen war. Aber erst wollte sie den Alkohol haben, die vier Fingerbreit Gin in der Flasche hinter
     ihrer Unterwäsche.
    »Ich verspreche auch, keinen Unsinn anzustellen.«
    Tinkie Kellerman sah sie mit großen, mitleidigen Augen an.
    Alexa betrat das Schlafzimmer. »Bitte lassen Sie mich wenigstens allein ins Bad.«
    Sie würde die Flasche zusammen mit den Kleidern aus dem Schrank holen und sich so drehen, dass die Polizistin nichts bemerkte.
    »Sie können dort Platz nehmen«, sagte sie und wies mit dem Kinn auf den Stuhl vor der Frisierkommode.
     
    Fransman Dekker hörte das hartnäckige Klopfen an der Haustür. Er öffnete. Auf der Vorderveranda stand Willie Mouton, der Glatzkopf
     in Schwarz, begleitet von seinem Alter ego – einem Mann, der genauso dünn war wie er, jedoch mit dichtem, schwarzem, akkurat
     gescheiteltem Haar und dem Aussehen eines Bestatters: groß, ernstes Gesicht, Augen, die schon alles gesehen hatten, einem
     dunklen Anzug und einer graphitgrauen Krawatte. »Mein Anwalt ist hier. Jetzt bin ich für Sie bereit.«
    »Jetzt sind Sie für mich bereit?« Wieder flackerte Dekkers Wut über den Weißen auf, der so herablassend mit ihm als

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