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DS026 - Der Inka in Grau

DS026 - Der Inka in Grau

Titel: DS026 - Der Inka in Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Robeson
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Schar von Sekretären und Ordonnanzen folgte ihm hinaus und durch den Flur in den Mittelbau des Palastes, wo die Amtszimmer des Präsidenten lagen.
    Dort kam ihnen in diesem Augenblick vom Palasteingang her Junio Serrato, flankiert von zwei höheren Offizieren, entgegen. Serrato war zwar nicht Vizepräsident, aber als Kriegsminister und gleichzeitig Oberkommandierender der Streitkräfte der zweitmächtigste Mann in Santa Amoza, zumindest in Kriegszeiten.
    »Wo stecken Sie eigentlich, Serrato?« rief Präsident Carcetas ihm unwillig entgegen. »Wenn man Sie am nötigsten braucht, sind Sie nirgendwo zu finden.«
    »Ich glaube,
Presidente
, im Moment gibt es Wichtigeres«, entgegnete Serrato beherrscht, ging Carcetas in sein Amtszimmer voraus, machte mit seinen beiden Begleitern militärisch kehrt und überreichte dem Präsidenten ein Papier, das er entfaltet in der Hand hielt. »Dieser Brief wurde soeben auf der Fußmatte meines Hauses gefunden. Der Doppelposten, der weiter vorn an der Straße steht, behauptet niemand bemerkt zu haben, der ihn dort abgelegt haben könnte.«
    Carcetas nahm den Brief und las:
     
    Zur Weiterleitung:
    An den Präsidenten der Republik Santa Amoza,
    Alberto Carcetas
    Señor:
    Ich lasse Sie hiermit wissen, daß Ihre Tochter, Anita Carcetas, in die Hände meiner Truppen gefallen ist. Ich habe diese Entwicklung nicht gewünscht, kann sie andererseits aber auch nicht rückgängig machen. Nach dem feigen Überfall, den Truppen Ihrer Armee seinerzeit auf Delezon-Gebiet
unternommen haben und der zu dem derzeitigen unseligen Krieg geführt hat, befindet sich mein Offizierskorps in einer solchen Wut auf Sie, den Präsidenten der Republik Santa Amoza, daß ich für das Leben Ihrer Tochter bestenfalls noch wenige Stunden bürgen kann. Ich sehe den einzigen Ausweg in sofortigen Friedensverhandlungen, die selbstverständlich die bedingungslose Kapitulation Santa Amozas zur Folge haben müßte.
    Fernandez Vigo,
    General und Oberkommandierender der Delezon-Armee
     
    Carcetas hatte die Hand sinken lassen, und der Brief flatterte zu Boden. »Vigo – hat – Anita!« flüsterte er.
    Serrato fuhr sich mit dem Finger über seinen schmalen Schnurrbart. »Mich empört vor allem die Unverschämtheit dieses Ansinnens und die freche Behauptung, wir wären es, die den Krieg angefangen hätten.« Er sagte es durchaus beherrscht.
    »Aber verstehen Sie denn nicht?« keuchte Carcetas. »Er hat meine Tochter! Wenn wir nicht sofort mit den Friedensverhandlungen beginnen ...« Ihm gingen die Worte aus. Seinem bleichen Gesicht nach schien er einer Ohnmacht nahe.
    »Kapitulationsverhandlung, meinen Sie wohl,
Presidente
«, berichtigte ihn Serrato. Im Gegensatz zu Carcetas schien er absolut gefaßt, ein nüchterner Politiker, der auch angesichts einer kritischen Situation nicht die Nerven verlor. »Mich interessiert viel mehr, wie Ihre Tochter, kaum daß der Inka in Grau sie hier in Alcala gekidnappt hat, bereits bei den Truppen von Vigo sein kann. Das Ganze sieht mir eher nach einem abgekarteten Spiel aus, durch das wir erpreßt werden sollen, auf entwürdigende Kapitulationsverhandlungen einzugehen.«
    »Das Wie und Warum ist doch völlig egal!« brüllte Carcetas ihn an. »Es geht um meine Tochter! Ich befehle Ihnen, Sie
werden
verhandeln!«
    »Und wenn ich mich weigere?« fragte Serrato kühl.
    »Das ist Befehlsverweigerung!« tobte Carcetas. »Ich lasse Sie verhaften!« Er bot ein Bild völliger Aufgelöstheit, starrte mit wilden Augen im Kreis herum. »Worauf warten Sie noch?« herrschte er einen der herumstehenden Offiziere an. »Verhaften Sie ihn!«
    Die Offiziere – es waren inzwischen mehr als ein Dutzend – erstarrten; sie sahen sich in einem unauflösbaren Treuekonflikt gegenüber dem Staatspräsidenten und ihrem obersten Heerführer.
    Carcetas wollte offenbar zu einem neuen Tobsuchtsanfall ansetzen, da legte ihm einer der Offiziere die Hand auf die Schulter. Er tat es fast fürsorglich, nicht wie gegenüber einem Präsidenten. »Kommen Sie,
Señor
«, sagte er, »Sie bedürfen vor allem erst einmal der Ruhe.«
    Carcetas schien unter dieser Hand förmlich zusammenzuschrumpfen. Er wußte, seine Unbeherrschtheit hatte ihn, wenn nicht das Präsidentenamt, so doch für’s erste die ausübende Staatsgewalt gekostet. Widerstandslos ließ er sich aus seinem Amtszimmer führen.
    Die Übergabe der Amtsgeschäfte des Präsidenten an Serrato vollzog sich mit kargen, routinemäßig gemurmelten Worten. Falls Serrato eine

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