DS072 - Die Zauberinsel
volle neun Tage lang voran. Zwischendurch sahen sie mehrmals die Stadt, aber immer nur nachts. Sie schienen ihr nicht näher gekommen zu sein, auch wenn die Vision jetzt deutlicher war.
Inzwischen waren sie zu einem zerlumpten Haufen geworden. Unter sich hatten sie nur hoch ein einziges heiles Hemd. Sie hatten sich über den Knien die Hosenbeine abgeschnitten, bis auf Ham, der immer noch versuchte, seine schneiderische Eleganz zu bewahren. Ihm gehörte auch das einzige heile Hemd.
Sie verbrachten eine unruhige zehnte Nacht. Alle fünf Helfer des Bronzemanns waren inzwischen überzeugt, auf einer hoffnungslosen Jagd nach einem Phantom zu sein. Bei dem Gedanken an den Rückmarsch zur Küste sank ihnen das Herz in die Knie.
Nur Doc Savage machte eine Ausnahme. Er sagte nicht, was er fühlte, aber er ließ auch nicht nach, sie voranzutreiben.
Dann erwachte Monk in der Nacht und sah den alten Mann mit den Spinnenarmen.
Die seltsame Erscheinung stand am anderen Rande der Lichtung, auf der sie campiert hatten, und es herrschte heller Mondschein. Gewöhnlich sind im Mondlicht Einzelheiten nicht genau zu erkennen, und dies machte es noch merkwürdiger, daß Monk den alten Burschen so deutlich sehen konnte.
Das Wesen hatte ein Gesicht, das einer verschrumpelten blauen Melone glich. Ja, blau. Seine Hautfarbe war deutlich bläulich, und seine einzige Kleidung schien aus einem dunkelroten Stück Tuch zu bestehen. Dazu hatte der Kerl unglaublich lange und dürre Arme, während seine Beine zwar auch dürr waren, aber nur etwa ein Viertel so lang wie seine Arme.
»Wacht auf Leute!« bellte Monk. »Goa ist da!«
Monk sollte sich erst später über das wundern, was er da gerufen hatte.
Die anderen erwachten, schauten und stießen gleichfalls überraschte Rufe aus. Alle rannten quer über die Lichtung. Nur Doc blieb, wo er war.
Der spinnenarmige alte Mann ermunterte sie sogar, näher zu kommen, indem er ihnen aufgeregt winkte. Dann machte er kehrt und rannte ihnen voran. Sie schrien ihm zu stehenzubleiben, aber er hörte nicht darauf. Doch zwischendurch winkte er ihnen immer noch mitzukommen.
Docs Helfer konnten ihm nicht näher kommen. Dies verblüffte sie, denn sie rannten, so schnell sie konnten. Dabei schien der Alte keineswegs Beine zum Rennen zu haben. Aber noch waren sie nicht halb so erstaunt, wie sie es einen Augenblick später sein sollten. Sie kamen nämlich über eine Wiese mit hohem weichen Gras. Monk sah zurück. Ganz deutlich blieben von ihren Füßen Spuren in dem Gras zurück. Aber nicht von dem Mann, der ihnen vorauslief.
»He!« quäkte Monk. »Das ist aber seltsam!«
Die anderen blieben stehen. Der dürrgliedrige alte Mann rannte weiter, winkte ihnen noch mehrmals, verschwand dann im Dunkel des Dschungels.
Monk und die anderen leuchteten mit ihren Stablampen herum. Von dem alten Mann vor ihnen war nicht ein einziger Abdruck zurückgeblieben.
Betreten wie kleine Jungen, die an einem Friedhof vorbeigekommen waren, nachdem man ihnen vorher eine Gespensterstory erzählt hatte, kamen sie zum Lager zurück. Sie erzählten, was sie gerade erlebt hatten. Der Bronzemann sagte nicht, was er davon hielt.
»Seid ihr nun eher bereit, weiterzugehen?« fragte er nur.
»Und ob wir das sind!« grollte Renny. »Heilige Kuh! Irgend etwas verdammt Merkwürdiges steckt hinter der Sache, und dem will ich auf den Grund kommen.«
Etwa ein Drittel der Nacht war noch übrig, und begreiflicherweise hatten sie nun Schwierigkeiten einzuschlafen.
»Monk?« sagte Ham.
»Was hast du, du gespensterjagender Winkeladvokat?«
»Als du uns aufwecktest, sagtest du, ›Goa ist da‹. Was ich wissen möchte, ist, woher wußtest du, daß es Goa war? Sagte er seinen Namen, während wir noch schliefen?«
Statt einer Antwort gab Monk nur einen Grunzlaut der Überraschung von sich.
»Nun, was ist? War es so?«
Monk sagte: »Ich verweigere die Aussage.«
Ham gluckste: »Wenn es dich irgendwie beruhigt, ich wußte auch, daß sein Name Goa war. Ich weiß nicht, woher. Ich wußte es einfach.«
Dann schliefen sie alle noch etwas bis zum Morgengrauen.
Das Dschungelland war bewohnt. Docs Gruppe hatte Spuren von Eingeborenen gesehen, vor allem Fußabdrücke. Ein paarmal hatten sie auch flüchtig Gesichter gesehen, aber die Eingeborenen waren geflohen, und Docs Männer hatten nicht den Versuch gemacht, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Sich mit friedlichen Eingeborenen zu treffen, bedeutete gewöhnlich lange Zeremonien und Palaver, und sie
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