Dschungelkind /
Darstellung mit Begeisterung. Vielleicht kommt aus dieser Zeit meine heutige Vorliebe für Theaterstücke.
Bevor sie zur Krokodiljagd aufbrachen, flochten die Fayu lange Bänder aus Baumrinde. Dann nahmen sie ihre Steinäxte und paddelten mit den Kanus zum Krokodilfluss. Um die Mittagszeit, wenn die Sonne am höchsten stand, steuerten sie ein Ufer an, und ein Fayu-Krieger – meist der Jüngste – sprang ins Wasser. Die Mittagssonne leuchtete hell bis auf den Grund des Flusses. Der Krieger schwamm so lange unter Wasser, bis er ein Krokodil sah, und näherte sich ihm dann ganz langsam. Vorsichtig, um es nicht zu erschrecken, stellte er fest, ob seine Augen offen oder geschlossen waren. Waren sie geöffnet, entfernte sich der Jäger so schnell wie möglich und hoffte, dass das Krokodil nicht die Verfolgung aufnahm. Waren die Augen aber geschlossen, so nahm er das Band und schlang es ganz langsam um die Vorderbeine und die Brust des schlafenden Krokodils. Sobald er wieder am Ufer war, zogen alle Krieger gemeinsam das Tier an Land, wo sie es dann mit den Steinäxten erschlugen.
Das klingt brutal, aber im Urwald wird ausschließlich zum Überleben getötet. Die Fayu töten niemals Tiere zum Zeitvertreib, und schon gar nicht als Sport. Wenn Tiere getötet werden, wird jeder Körperteil verwertet. Bei den Krokodilen wird das Fleisch gegessen, die Zähne dienen als Schmuck und werden für Rituale benutzt.
War das Krokodil erlegt, so wurde an Ort und Stelle noch der Bauch aufgeschlitzt. Ein Krokodil hat zwei Mägen, und einer davon wurde herausgeschnitten und heimlich im Urwald vergraben. Dieser für uns seltsame Vorgang war tabu für die Frauen. Die Fayu glauben, dass eine Frau, die diesen Magen sieht, krank wird und vielleicht auch stirbt.
Als Nächstes wurden noch einige Teile des Krokodils weggeschnitten und verbrannt, die die Fayu als schlecht oder gefährlich bezeichneten. Den Rest des Tieres schleppten sie ins Kanu und machten sich auf die Rückkehr ins Dorf, um das Fleisch mit den anderen zu teilen. Das beste Stück vom Krokodil ist übrigens der Schwanz – unwahrscheinlich zartes rosarotes Fleisch.
Diese Abende genossen wir mit allen Sinnen – das Essen, die Kühle, die der Abend mit sich brachte –, und wir ließen unsere Fantasie anregen durch die spannenden Geschichten der Fayu. Die Flammen flackerten, warfen ihre Schatten um uns und gaben uns das Gefühl, dass es niemanden auf dieser Erde gab außer uns. Bis Mama uns rief, dass es Zeit war, ins Bett zu gehen.
Heute jagen die Fayu nachts Krokodile, nicht mehr am Tag. Es ist ungefährlicher. Papa hat ihnen Taschenlampen und spezielle Krokodilhaken als Speerspitze gegeben, mit denen die Tiere bereits im Wasser erlegt werden können.
Doch leider, leider waren solche Köstlichkeiten die Ausnahme. Um trotzdem ein wenig kulinarische Abwechslung zu haben, fingen wir Kinder an, alles auszuprobieren, was die Fayu auch aßen.
Sehr beliebt und vor allem überall zu finden war die riesig große Rote Ameise. Wir nahmen den Kopf fest zwischen die Finger und bissen dann den Körper ab. Dabei mussten wir immer darauf achten, dass wir selbst nicht gebissen wurden, denn das tat sehr weh. Daher haben wir den Kopf verschmäht. Weil ich dies am Anfang nicht wusste, hat mich einmal eine Ameise direkt in die Zunge gebissen. Zu spät spuckte ich sie wieder aus, und Judith machte sich lustig über mich, weil ich eine Weile nicht mehr richtig sprechen konnte. Dschungelessen war mit Vorsicht zu genießen – es konnte zurückschlagen!
Ein anderer Favorit waren Fledermäuse, vor allem die große Frucht-Fledermaus, die tagsüber in den Bäumen schlief und somit leichte Beute für uns war. Meistens rösteten wir die ganze Fledermaus über dem Feuer. Dann war sie knusprig und hatte einen guten Geschmack. Die Fayu legten den Körper der Fledermaus zwischen Schichten von Sago wie bei einem Hamburger und brieten ihn eingewickelt in einem Blatt.
Wir haben auch die Flügel probiert. Da sie sich gummiartig anfühlten, kamen wir auf eine Idee: Zuerst schnitten wir die Flügel in kleine Stücke, dann wuschen wir sie, steckten sie direkt in den Mund und kauten sie wie Kaugummi. Doch es schmeckte leider nicht so, wie wir uns erhofft hatten; eher ein wenig fad.
Eine schöne und sehr schmackhafte Abwechslung hingegen waren Würmer, von denen es im Urwald wimmelt. Am liebsten aßen wir jenen dicken weißen Wurm, den wir auch zum Fischen verwendeten. Wir haben ihn mit einem Pfeil
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