Dünengrab
sowie ein buntes Einstecktuch und musterte Tjark und Fred aus wässrigen Augen, unter denen sich dicke Tränensäcke befanden. Tjark zog einen Notizblock aus der Seitentasche der Lederjacke und deponierte ihn auf dem Schoß.
Nachdem Mommsen das Gespräch beendet hatte, faltete er die Hände über dem Schreibtisch wie zum Gebet, indem er die Fingerspitzen aneinanderlegte. »Mein Architekt, kleines Abstimmungsgespräch für ein Projekt.« Er entschuldigte sich mit einem Lächeln, das ihn wie eine Kröte aussehen ließ. »Sie trinken Kaffee?« Er drückte einen Knopf an der Telefonanlage auf dem Schreibtisch.
»Schwarz«, sagte Tjark.
»Schwarz«, sagte Fred. »Mit viel Zucker.«
Mommsen gab die Order durch und legte die Hände wieder zusammen. »Fürchterliche Sache, die da geschehen ist«, sagte er und setzte eine betroffene Miene auf. »Unfassbar. Ich hoffe, Sie schnappen den Mörder bald. Manchmal denke ich, dass für solche Fälle die Todesstrafe wieder eingeführt werden sollte.«
Tjark sagte nicht, dass er das manchmal ebenfalls dachte. Er blickte kurz über die Schulter, als sich die Tür öffnete und Mommsens Sekretärin mit drei Tassen in der Hand hereinkam und diese auf dem Tisch abstellte. Sie schenkte Tjark die Andeutung eines Lächelns, bevor sie wieder verschwand. Mommsen warf ein Zuckerstück in den Kaffee und rührte mit einem verzierten Silberlöffel in der Tasse herum. Fred nahm vier Stück Zucker.
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte Mommsen.
»Kennen Sie Vikki Rickmers?«
Mommsen ließ den Löffel abtropfen, nahm die Tasse nebst Untertasse in die Hand und lehnte sich in seinem Ledersessel zurück. Er trank einen Schluck, rollte ein Stück zurück und schlug die Beine übereinander.
Natürlich kannte er Vikki Rickmers, dachte Tjark und schlug den Spiralblock auf. Er nahm die Farbkopie eines Fotos heraus, das Vikki zeigte, und schob es Mommsen zu, der keinen Blick darauf warf, sondern Tjark weiter unvermittelt ansah. »Das ist die Frau, die vermisst wird?«
»Ja.«
»Ich habe das nur am Rande mitbekommen. Ich stecke gerade in einer besonders arbeitsreichen Phase, die meine Aufmerksamkeit sehr beansprucht. Wie kommen Sie darauf, dass ich die junge Frau kenne?«
Fred sagte: »Vikki Rickmers hat am Tag ihres Verschwindens ein Telefonat mit Ihrem Unternehmen geführt. Wir würden gerne wissen, worum es dabei ging.«
Mommsen schob die Unterlippe vor und tat so, als dächte er nach. Dann trank er noch einen Schluck Kaffee. »Es kann natürlich sein, dass es ein Telefonat zwischen unserem Unternehmen und Frau Rickmers gegeben hat. Ich müsste das nachprüfen.«
»Das heißt?«
»Dass es möglicherweise beruflich und damit vertraulich war.«
»Wer hat mit ihr telefoniert?«
»Sie sollten mir besser mal richtig zuhören. Ich habe gerade eben gesagt, dass ich das erst nachprüfen muss. In meinem Unternehmen wird nämlich sehr viel von sehr vielen über sehr vieles telefoniert.«
Mommsen schüttelte den Kopf, als habe er es mit einem bockigen Kind zu tun.
»Ach bitte«, sagte Fred und klang etwas genervt. »Wir sind nicht zum Spaß hier, Herr Mommsen.«
Mommsen schwieg.
Tjark tippte mit dem Kuli auf die unbeschriebene Seite des Blocks und musterte sein Gegenüber. »Das Gespräch zwischen uns«, sagte Tjark, »ist keine Vernehmung. Zu der müsste ich Sie offiziell vorladen. Alles, was Sie uns mitteilen können, hilft uns womöglich weiter, könnte aber nicht gegen Sie verwendet werden. Ich kann Sie jedoch gerne zu einer polizeilichen Vernehmung vorladen, und Ihre Bürokraft Frau …«
»Emmy Wellmer.«
»… Frau Wellmer lade ich gerne dazu und lege Ihnen eine gerichtliche Verfügung zur Offenlegung aller Telefonate an dem betreffenden Tag vor, aus der hervorgehen wird, wer im Hause genau mit Frau Rickmers telefoniert hat.«
Mommsen setzte sich auf, stellte die Tasse ab und rollte mit dem Stuhl wieder an den Tisch heran. Er beugte sich etwas nach vorne. »Herr Wolf«, er räusperte sich, »wissen Sie, wer ich bin?«
»Nicht exakt«, antwortete Tjark. »Ihre Personalien haben wir noch nicht aufgenommen.«
»Aber ich weiß, wer Sie sind. Ich kenne Ihr Buch. Sie gelten in bestimmten Kreisen als ein Prominenter. Das ist ein Status, der Sie sehr selbstsicher macht, und in einem großen Mordfall liegt für Sie gewiss eine Menge Prestige. Vielleicht ist das auch der Grund, aus dem Sie in Werlesiel aufgekreuzt sind. Der Ruhm sei Ihnen gegönnt, aber Sie werden ihn ganz sicher nicht
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