Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
ein Berg von Kränzen und welken Blumen. Der Tod war hier ganz nah.
Sie war sehr krank gewesen. Bettlägerig. Und kein Arzt konnte ihr mehr helfen. Rosa hatte einmal gesagt, sie wäre zeitlich und örtlich verwirrt gewesen. Am Ende habe sie nicht einmal mehr ihren Ehemann erkannt. Sie war eine Fremde im eigenen Leben gewesen, eingesperrt in der Vergangenheit wie in einem Traum.
Carl war dankbar dafür, klar im Kopf zu sein.
In diesem Moment hob Walther den Kopf und entdeckte ihn. Carl schützte seine Augen mit der Hand und trat gegen das Sonnenlicht. Sie grüßten sich.
»Du hast gestern diesen Polizisten zu mir geschickt?«, erkundigte sich Carl.
»Ja. Das war dir doch hoffentlich recht?«
»Natürlich. Ich hoffe nur, ich konnte helfen.«
Walther nickte. Sein Blick wanderte wieder zu dem kranzbedeckten Grab. Seine Trauer war deutlich spürbar.
»Es tut mir leid, Walther«, sagte Carl.
Seine eigene Frau Mia war friedlich eingeschlafen. Eines Nachts, ganz ohne Vorwarnung. Herzversagen, hatte es später geheißen. Es war so plötzlich passiert, er hatte geglaubt, er würde den Verstand verlieren vor Schmerzen. Erst später war ihm klar geworden, dass Mia auf irgendeine Art weiter bei ihm war. Ihn begleitete, jeden Tag.
»Sie hat mich am Ende nicht einmal mehr erkannt«, sagte Walther mehr zu sich als zu Carl. »Sie hat mich Vati genannt.«
Carl legte die Hand auf seine Schulter. »Vergiss das, Walther. Ihr werdet bald wieder zusammen sein. So wie früher.«
»Glaubst du das?«
»Das tue ich. Was denn sonst?«
Walther schien das Thema wechseln zu wollen. »Siegfried war das nicht, oder? Er hat doch niemals Alfons umgebracht.«
»Das wissen wir nicht, Walther.«
»Aber doch nicht Siegfried. Du kanntest ihn doch auch. Ihr wart Freunde. Er kann das nicht gewesen sein.«
»Wir können in die Menschen nicht reinschauen.«
Sie redeten noch eine Weile, doch es gab nicht mehr viel zu sagen. Walther verabschiedete sich, und auch Carl machte sich auf den Weg, um Rosa zu suchen.
»Besuch mich mal in der Bauernschaft«, sagte Walther. »Die neuen Besitzer von deinem Kotten sind sehr freundlich. Sie haben jetzt auch die Scheune renoviert. Das Fachwerk und den Giebel. Ziemlich aufwendig, das muss ein Vermögen gekostet haben. Aber es ist beeindruckend. Schön, wenn die alten Dinge erhalten bleiben.«
»Das höre ich gern.«
Eigentlich wollte er lieber nichts von seinem Kotten hören. Besser, er ließ alles hinter sich und gewöhnte sich daran, bei seiner Tochter in Düstermühle zu wohnen. Wofür war es gut, in die Bauernschaft zu gehen und alte Wunden aufzureißen? Nein, nie wieder würde er dort hingehen.
Er winkte seinem ehemaligen Nachbarn zu.
»Vielleicht komme ich mal vorbei«, sagte er. »Mach’s gut, Walther.«
Damit wandte er sich ab und ging zu Rosas Familiengrab.
Hambrock war zufrieden. Der Bericht der Spurensicherung war eingetroffen. Es bestand kein Zweifel: Siegfried Wüllenhues hatte den Brand in der Werkstatt gelegt. Seine Abdrücke waren überall am Kanister, und Benzinrückstände hafteten an seinen Händen. Zudem war ihm versichert worden, dass eine andere Brandursache ausgeschlossen werden konnte. Es war Brandstiftung gewesen, das kleine Gebäude war mithilfe von Benzin angesteckt worden.
Wie es aussah, wäre dieser Fall bald abgeschlossen. Es ging jetzt nur noch darum, den Tathergang genau zu rekonstruieren, danach würden sie die Ermittlungen wohl einstellen und den Fall an die Staatsanwaltschaft weitergeben.
Sein Handy klingelte. Auf dem Display sah er: Es war seine Mutter. Nun, wo es Birgit wieder besser ging, fühlte er sich imstande, das Gespräch entgegenzunehmen.
»Hallo, Mutter.«
»Hallo. Da bist du ja. Es ist sehr schwer, dich zu erreichen.«
»Tut mir leid, hier ist im Moment einfach viel los. Aber ich war heute schon bei Birgit. Wenigstens das habe ich geschafft.«
»Ja. Das hat sie mir erzählt. Ich war da kurz zu Hause, um was zu essen. Da haben wir uns wohl verpasst.«
»Sie wirkte ziemlich fit, als ich sie gesehen habe. Ich glaube, das Schlimmste hat sie hinter sich.«
Gott sei Dank, dachte er. Es war ja im Grunde auch eine lächerliche Geschichte gewesen, das Ganze. Ein verschleppter Harnwegsinfekt, damit war es losgegangen. Typisch Birgit: Sie war natürlich nicht zum Arzt gegangen, und dann waren da noch ihr Job und der Haushalt und die Kinder. Immer hundert Prozent geben, vierundzwanzig Stunden am Tag. Kein Wunder, dass sich dieser harmlose Infekt dann zu
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