Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
an mich zu verschwenden.«
»Es ist wirklich schlimm, was manche Eltern ihren Kindern antun. Jim war auch kein besonders toller Vater. Die meiste Zeit war er für Johnny unerreichbar.« Und für mich, fügte sie in Gedanken hinzu.
»Ist es okay für dich, wenn ich am Freitag mitgehe?«, fragte Christian.
Vanessa lächelte. »Ich fände es wunderbar.« Auf einmal hatte sie das Gefühl, als wäre alles wieder im Lot, als könne ihr nichts und niemand mehr etwas anhaben. In diesem Moment, als sie Christian neben sich spürte und Johnny mit einem seligen Lächeln auf dem Gesicht und einem Cookie in der Hand auf sich zulaufen sah, hatte sie das Gefühl, es mit der ganzen Welt aufnehmen zu können.
»Kannst du mir morgen das Haus zeigen, von dem du mir erzählt hast, und dann mit mir zu Mittag essen?«
Sie überlegte kurz, was am nächsten Tag anstand. Am Nachmittag musste sie wieder mit dem Ehepaar Worth auf Besichtigungstour gehen, aber am Vormittag hatte sie noch keinen Termin. »Okay. Dann hol mich doch um zehn im Büro ab.«
Der Rest des Abends verging wie im Flug. Die drei wagten sich noch einmal aufs Eis, hielten sich an den Händen und lachten, wenn einer von ihnen hinfiel. Um neun war die Veranstaltung offiziell zu Ende. Christian begleitete Vanessa und Johnny zum Auto und verabschiedete sich dann von ihnen.
Johnny war ganz erschöpft von der frischen Luft und der körperlichen Betätigung. Er protestierte nicht einmal, als Vanessa ihn zu Hause gleich ins Bett schickte. Er lief die Treppe hoch, und Vanessa ging in die Küche, um sich vor dem Schlafengehen noch eine schöne Tasse Tee zu machen.
Es war kurz vor zehn, als Vanessa ihren Tee ausgetrunken hatte, die Tasse ausgespült, und nach oben ins Schlafzimmer gehen wollte. Auf dem Weg durchs Wohnzimmer stockte ihr das Herz: Über der Rückenlehne des Sofas lag die dunkle, abgetragene Jacke von Jim.
Einen Moment lang starrte sie das Kleidungsstück wie gelähmt an.
Wie oft hatte sie Jim gebeten, die Jacke in den Garderobenschrank zu hängen, anstatt sie einfach aufs Sofa zu werfen? Wie war es möglich, dass die Jacke sich jetzt hier befand, genau an der Stelle, wo Jim sie immer hingelegt hatte?
Es war definitiv Jims Jacke. Sie erkannte den dunkelbraunen Wollstoff, die ausgebeulten Taschen, und hatte fast den Eindruck, der vertraute Geruch ihres Mannes hinge in der Luft.
Wie war die Jacke dahin gekommen? Wer hatte sie aufs Sofa gelegt? Die Zimmertemperatur schien binnen Sekunden unter den Gefrierpunkt zu fallen, und Vanessa fröstelte am ganzen Körper.
Vielleicht hatte Johnny sie aus dem Schrank genommen, als er seine warmen Sachen zum Schlittschuhlaufen herausgeholt hatte. Vanessa klammerte sich an diese Erklärung. Ja, so musste es gewesen sein, denn etwas anderes ergab keinen Sinn, und Vanessa brauchte dringend eine logische Erklärung.
Sie wollte die Jacke nicht wieder aufhängen. Sie wollte sie nicht einmal berühren. Also ließ sie sie liegen und lief durchs ganze Haus, um zu überprüfen, ob alle Fenster und Türen fest verschlossen waren.
Sie versuchte, sich zu erinnern, ob sie Jims Jacke vielleicht selbst aus dem Schrank genommen und aufs Sofa geworfen hatte, als Johnny und sie sich fürs Eislaufen fertig machten.
Jede andere Erklärung war einfach zu beängstigend, um sie überhaupt in Erwägung zu ziehen.
Als sie Johnny am nächsten Morgen fragte, ob er die Jacke aus dem Schrank geholt und nicht wieder hineingehängt habe, sagte er, er könne sich nicht erinnern. Er habe in dem Schrank nach seinen Stiefeln und Handschuhen, seinem Schal und seiner gefütterten Winterjacke gesucht.
»Ich weiß nicht, ob ich sie rausgenommen habe«, sagte er. »Ich war aufgeregt, und es musste doch schnell gehen. Wenn ich es war, dann tut’s mir leid.«
Vanessa nahm die Jacke, steckte sie in einen Karton und brachte ihn in die Garage. Die ganze Zeit redete sie sich ein, dass Johnny die Jacke aufs Sofa gelegt haben musste, denn Jims Geist konnte es schließlich nicht gewesen sein.
Als sie sich für den Besichtigungstermin mit Christian anzog, versuchte sie, nicht mehr an die Geschichte zu denken.
Sie hatte immer noch keine Ahnung, wie sich ihre Beziehung zu Christian entwickeln würde, auch wenn ihr nicht entgangen war, wie sehr er sich gestern Abend um Johnny bemüht hatte. Eins wusste sie jedoch genau. Sie hatte sich in Christian Connor verliebt. Es war ein hilfloses Gefühl, denn es gab keinerlei Garantie für eine wie auch immer geartete gemeinsame
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