Dunkle Häfen - Band 2
Pulsadern."
"Verflucht!" , rutschte es dem Lord heraus.
"Leider kommt es noch schlimmer. Sie bezichtigt Euch in einem Abschiedsbrief, sie verführt und ins Abseits getrieben zu haben."
"Spinnt sie? Lebt sie überhaupt noch?"
"Ja, Mylord, aber sie ist sehr schwach."
"Nun gut..." Nachdenklich fuhr er sich durchs Haar. "Dann werde ich eben sofort zu ihr gehen müssen."
Der kaltblütige Diener nickte ohne ein Wort und ging seinem Herrn voraus, um seine Kleider herzurichten.
Wie man ihm mitteilte, lasse sich bei der jungen Frau nicht mehr feststellen, ob sie entehrt worden war, denn sie hatte ihre Jungfräulichkeit bereits durch einen bösen Unfall in ihrer Kindheit verloren. So sei man auf Aussagen angewiesen. Dem Lord blieb nichts anders übrig als zu handeln. Fayford ging zu Rose, die in ihrem Zimmer lag. Sie hatte das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt. Unbeteiligt von dem Trubel um sie herum lag sie auf ihrem Bett. Braune Locken lagen verfilzt über das ganze Kissen verstreut. Das weiße Hemd war wieder ein wenig blutig geworden und auch auf dem Laken waren noch die großen Blutflecken, die man noch nicht entfernt hatte, weil die Verletzte möglichst wenig bewegt werden durfte. Rose wirkte wie eine Märtyrerin, die einer schlechten Welt entrückt war. Während er am Fußende stand, trat ihre alte Amme neben ihn.
"Mylord ", zischelte sie. "Ich weiß genau, dass sie das wegen Euch getan hat. Selbst in diesem Moment liebte sie Euch noch. Eine Amme spürt das. Ihr könnt mich jetzt wie alle Eure Feinde ums Eck bringen lassen, das ändert nichts daran."
"Geh hinaus, altes Weib, bevor ich es doch tue!"
"Damit Ihr die Kleine noch vollends in eine andere Welt befördern könnt?"
James blickte wieder auf die blasse Kranke, die zwischen den Kissen zu verblassen schien.
"Nein, Alte. Wenn sie wieder gesund wird, werde ich sie heiraten."
Rose wurde wieder gesund. Und sie beschloss, James zu verzeihen, denn trotz allem glaubte sie noch immer an das Gute in ihm. Er versprach ihr, dass dergleichen nie wieder vorkommen würde.
Die Wahrheit kommt ans Licht
Als sich das Jahr 1715 seinem Ende zuneigte, geriet Ramis in einen weiteren Streit mit der Comtesse de Magnon. Diese schien es einfach nicht lassen zu können, ständig zu sticheln, wo sie nur konnte. Schnell hatte sie Ramis wunde Stellen ausgekundschaftet. Besonders hatte sie es auf das Eheleben des Herzogspaars abgesehen. In aller Öffentlichkeit fragte sie verschwörerisch, ob denn nun endlich ein Kind unterwegs sei. Und dann grinsten alle hinter vorgehaltener Hand oder hinter filigranen Fächern. Einmal ging sie sogar so weit, einen der Servierjungen anzurempeln, der gerade ein Tablett mit Essen trug, so dass er es verlor und der Inhalt sich über Ramis Kleid ergoss. Ramis bebte vor Wut und wusste, wenn die Comtesse so etwas noch einmal tat, würde es mit ihrer Beherrschung vorbei sein. Inzwischen hasste sie die Comtesse aus tiefstem Herzen. Leider fielen ihr nie die richtigen Entgegnungen ein. Aber eines Tages würde diese Frau dafür bezahlen müssen, schwor Ramis sich tausend Mal. Irgendwann würde sich eine Gelegenheit bieten. Bis dahin schien sie wenig tun zu können.
Auch aus diesem Grund schlug der Marquis der Herzogin eine Fahrt nach St.Germ ain-en-Laye vor. Im dortigen Schloss residierte der 'Pretender' und Exilant James Edward, der Sohn James‘ II, und der Marquis war der Meinung, Ramis wolle ihn unbedingt treffen.
"Schließlich ist er auch Engl änder und der rechtmäßige König", erklärte er ihr.
Ramis Mann war für eine Weile verreist und da bot sich die Gelegenheit an. Erleichtert willigte sie ein, denn niemand schien ihr gegen die Comtesse helfen zu wollen. Auch der Herzog war nicht bereit, sich einzumischen.
"Das sind Frauenangelegenheiten ", wehrte er ab.
Es blieb Ramis wenig anderes übrig, als es der Comtesse mit gleicher Münze heimzuzahlen und wie sich Ramis kannte, würde das mit einem Toten enden, was dem Überlebenden ernste Schwierigkeiten einbringen würde.
Und so brachen Ramis und der Marquis mit einer Kutsche gen St.Germain auf. Sie war froh, Paris zu entkommen, obwohl sie sich in der Stadt einigermaßen eingelebt hatte. Doch das gesellschaftliche Leben zwängte die Luft kaum weniger ab als in Versailles. Auch wenn alle anderen das befreite Dasein zu genießen schienen und ausgelassen auf den zahlreichen Festen des Regenten feierten, fand Ramis wenig Gefallen daran. Ihr missfielen die Hemmungslosigkeit, die
Weitere Kostenlose Bücher