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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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tragischer Held Heathcliff. Und der zerstörerische Charakterzug, den sie an ihm spürte, erhöhte den Reiz nur noch. So war es ihr leichtgefallen, sich einzureden, sie sei in ihn verliebt und er in sie.
    Ihre Mutter hatte mit ihr frei und offen über Sex, Verhütung, die daraus resultierende Verantwortung und mögliche Konsequenzen gesprochen. Die Aussicht auf AIDS, eine unerwünschte Schwangerschaft und Abtreibung war, zusammen mit ihrem sehnlichen Wunsch, aufs College zu gehen und Journalismus zu studieren, abschreckend genug gewesen, um im Zusammensein mit Josh einen klaren Kopf zu behalten.
    Bei Ernie Butts war alles anders.
    Als er sie mit auf sein Zimmer genommen hatte, waren jegliche Gedanken an Verantwortung und an ihre Zukunft
dahingeschmolzen wie Schnee in der Sonne. Auch sämtliche praktischen Ratschläge seitens der Mutter waren augenblicklich in Vergessenheit geraten.
    Er hatte schwarze Kerzen angezündet, Musik aufgelegt, die das Blut schneller durch ihre Adern fließen ließ, und hatte, ohne vorher groß zu fragen, Dinge mit ihr angestellt, die ihre Mutter niemals erwähnt hatte. Er war ziemlich grob mit ihr umgegangen, was sie anfangs erschreckte, aber bald hatte sie schluchzend und bettelnd nach mehr verlangt.
    Sie brauchte nur daran zu denken, und schon begann sie wieder, vor Erregung zu zittern.
    Abend für Abend war sie unter dem Vorwand, für das Chemieprojekt zu arbeiten, welches sie längst nicht mehr interessierte, zu ihm zurückgekommen. Doch ihre blinde Vernarrtheit mischte sich allmählich mit Furcht. Mit der feinen Intuition, die verliebte Frauen entwickeln können, spürte sie, daß er sich ihr gegenüber immer zurückhaltender verhielt, daß er manchmal, wenn er mit ihr schlief, an eine andere dachte.
    Sie sehnte sich verzweifelt nach der Bestätigung, daß er sie liebte.
    Sally hielt an der Zapfsäule an und kletterte aus dem Auto. Sie wußte, daß ihre schlanke Figur in den knappen Shorts und dem engen Sonnentop ausgezeichnet zur Geltung kam, und sie war zu Recht stolz auf ihre Beine – die längsten und wohlgeformtesten der ganzen Cheerleadertruppe. Außerdem hatte sie sich aus der sorgfältig gehüteten Parfümflasche ihrer Mutter bedient und eine geschlagene Stunde damit verbracht, ihr Haar aufzudrehen, so daß es ihr in einer Masse von Korkenzieherlocken um das Gesicht fiel.
    Sie kam sich sehr weltklug und erwachsen vor.
    Als Ernie auf sie zukam, lehnte sie sich lässig gegen die Autotür und lächelte ihn an. »Hi.«
    »Hi. Bißchen Benzin gefällig?«
    »Ja.« Sally versuchte, ihre Enttäuschung darüber zu verbergen, daß er sie zur Begrüßung nicht geküßt hatte. Aber
schließlich weigerte er sich sogar, in der Schule mit ihr Händchen zu halten. »Ich bin heilfroh, daß endlich Freitag ist.« Sie sah ihm zu, wie er den Stutzen in die Tanköffnung schob, beobachtete seine Hände mit den langen, schlanken Fingern und erinnerte sich daran, wozu diese Finger fähig waren. »Noch eine Woche, und dann sind wir endlich mit der Schule fertig.«
    »Yeah.« So ein gottverdammtes Theater, dachte Ernie.
    Sally wischte sich verstohlen die feuchten Hände an ihren Shorts ab. »Mary Alice Wesley gibt eine Riesenabschlußfete. Sie hat gesagt, ich könnte noch jemanden mitbringen. Hast du Lust?«
    Er sah sie auf diese seltsame, abschätzende Art an, die er manchmal an sich hatte. »Ich gehe nie auf Partys. Wieviel Benzin brauchst du?«
    »Mach ruhig voll.« Sie leckte sich die Lippen. »Kommst du morgen zu der Parade?«
    »Ich hab’ Besseres zu tun als dumm rumzustehen und zuzusehen, wie eine Horde von Schwachköpfen die Straße entlangmarschiert.«
    Sally selbst würde auch an der Parade teilnehmen, und es kränkte sie, daß er es vergessen hatte. Ihr Großvater kam extra aus Richmond angereist und brachte seine Videokamera mit, um den letzten Auftritt seiner Enkelin als Cheerleader der Emmitsboro High festzuhalten. Aber sie hielt es für klüger, das Ernie gegenüber jetzt nicht zu erwähnen. »Nach der Parade veranstalten wir bei uns zuhause ein Barbecue. Es gibt Hamburger und so was. Vielleicht kommst du auch mal zu uns rüber.«
    Er war noch nicht einmal interessiert genug, um bei dem Gedanken, in Sallys Garten zu sitzen, Hamburger zu verzehren und Limonade dazu zu trinken, höhnisch das Gesicht zu verziehen. »Ich muß arbeiten.«
    »Oh. Na ja, es dauert bis in die Abendstunden, wenn du also später noch Zeit hast …« Gedemütigt brach sie ab, schluckte und suchte nach Worten.

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