Dunkle Spiegel
ich euch auch mal viel Glück! Wer den Mistkerl zuerst kriegt, spendiert eine Runde!” meinte Ramirez ernst, als wir zu dritt den Raum verließen.
In seinen Augen sah ich ein Feuer glimmen.
Jagdlust!
Die Nacht konnte beginnen!
*** 23 ***
“… und weißt du, was sie dann noch gemeint hat? Ihr Pudel sei ja gar nicht krank, sondern nur unsterblich verliebt. Kannst du dir das vorstellen? Die stellt ihren Hund doch tatsächlich auf die gleiche Stufe wie jeden anderen Menschen. Manchmal glaube ich, dass sie ihn sogar noch über jeden Anderen stellt. Unglaublich. Und dann habe ich heute morgen beim Einkaufen gesehen, dass es bei Bluemarket…”
Er nickte nur immer wieder und lächelte liebevoll. Er versuchte verständnisvoll zu sein. Ob sie ihm anmerkte, dass sie ihn nervte? Tödlich nervte?
Geduld. Nur Geduld. Alles würde einmal ein Ende haben - auch dieses Essen. Erneut setzte er ein Lächeln aus seiner Trickkiste auf und schob sich eine Gabel Erbsen in den Mund. Das Fleisch war saftig und leicht knusprig auf der Oberfläche, mit einem weichen, leicht rosigen Kern. Dazu gab es Süßkartoffeln und ein Gemüse aus Erbsen, Möhren und Rosenkohl. Die leichte, helle Sauce, die sie ihm zum Gemüse gereicht hatte, schmeckte ein wenig zu sehr nach Pfeffer, war aber sonst schön frisch.
Sein Teller war schon fast ganz leer. Seit einer geschlagenen Viertelstunde hatte er ihren Ausführungen über den Tratsch der Nachbarschaft des heutigen Tages angestrengt gelauscht. Und es war in der Tat anstrengend für ihn. Denn er verspürte zwei starke und doch völlig unterschiedliche Impulse in seinem Körper, denen er liebend gerne nachgegeben hätte.
Entweder alles fallen zu lassen und an Ort und Stelle sofort vor Langeweile einzuschlafen. Doch das Kribbeln in seinem Bauch, dass seinen ganzen Körper durchlief, war nicht verschwunden, sondern in der letzten Stunde immer stärker geworden war und hielt ihn wach.
Doch es machte ihn auch ungeduldig. Er war nervös, und er fühlte, wie sich diese Nervosität von Minute zu Minute steigerte.
Das zweite Gefühl wäre äußerst schmerzhaft für seine Frau gewesen. Vorteilhaft war, dass sie dann ein für allemal geschwiegen hätte. Nachteilig aber wäre es, diesem Gefühl, dieser Regung nachzugeben, weil er sich dann für einen Mord verantworten müsste. Er war zwar noch nicht einmal vorbestraft, aber der Mord an seiner Ehefrau, selbst unter Alkoholeinfluss, würde mit Sicherheit hart bestraft werden.
“Angeklagter, warum haben Sie Ihre Frau umgebracht?” vernahm er in seinem Kopf die imaginäre Stimme eines strengen Richters, worauf seine harmlose und doch völlig aufrichtige Antwort erklang: “Herr Richter, weil sie mich zu tödlichst mit diesem Schwachsinn genervt hat, den sie mir immerzu erzählen musste!”
Mit einem solchen Argument würde er natürlich freigesprochen werden, oder?
Ein untergründiges Lächeln legte sich auf seine Lippen, bevor er registrierte, dass er in seine Fantasie abzuschweifen drohte. Nein, dachte er frustriert, er würde das alles noch weiter über sich ergehen lassen müssen!
Wer würde seinen Geliebten denn sonst auch ihre Wünsche erfüllen? Nein, allein um ihretwillen konnte er diesem Drang nicht nachgeben.
Nur noch wenige Erbsen und ein paar Rosenkohlstücke befanden sich auf seinem Teller. Er sah auf den ihren, der aber noch halb voll war. Sogar das Fleisch lag noch unangeschnitten da, halb durch Gemüse bedeckt.
Er hatte Angst!
Angst, dass sich sein Teller leerte und sie dann erkennen würde, dass sie die ganze Zeit erzählt und dabei das Essen völlig vergessen hatte. Doch was viel schlimmer war: er hätte dann anfangen müssen, mit ihr zu reden. Und das wollte er nicht. Das konnte er nicht. Nicht jetzt. Nicht heute.
Sein Blick wanderte unruhig und so unauffällig wie möglich zur Wanduhr. Es war schon weit nach neun.
Nicht mehr lange. Geduld! Es wird vorüber gehen.
Gedulde dich , ermahnte er sich immer wieder selbst.
Doch sein Drang wurde immer stärker, einfach aufzustehen und in den Keller zu gehen. Sie einfach mit ihrem verdutzten Gesicht stehen zu lassen. Es hatte sogar schon Momente gegeben, in denen er sich vorstellte, wie das wohl wäre, wenn er sie einmal mit in seinen Keller nehmen würde. Was sie wohl sagen würde, wenn sie dort sein Baby sehen würde. Wie sich ihr verwundertes Gesicht in echten Schrecken verwandeln würde, wenn sie erkannte, womit er sich dort unten im Stillen beschäftigte.
Und was dann? - Dann
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