Dunkle Spiegel
keine Menschenseele weit und breit.
Er atmete tief durch. Langsam nahm er die Handschuhe aus der Ablage und zog sie sich langsam über. Dann sah er wieder in den Rückspiegel. Jeder, der ihm begegnen könnte, würde das Ding da auf seinem Kopf für eine etwas zu klein geratene Mütze halten, nichts anderes.
Er wusste das genau, das hatte er nämlich schon einmal am helllichten Tag ausprobiert!
Langsam stieg er aus dem Wagen. Unter dem Arm trug er etwas Dunkles bei sich. Etwa so groß wie ein Heftordner, vielleicht etwas größer. Man würde es im Dunkel nicht erkennen. Auch das wusste er.
Niemand würde es als einen Laptop identifizieren!
Sein Puls hatte sich beruhigt. Er atmete langsam und streckte sich, dass seine Glieder leise knackten. Tief sog er die kühle Nachtluft ein. Mehr und mehr spürte er, wie er innerlich immer ruhiger wurde.
Dann huschte er an die Häuserwand und verschwand im Dunkeln.
*** 34 ***
Es ist soweit, dachte ich bei mir. Ramirez und ich hatten schon seit mehreren Minuten kein Wort mehr miteinander gewechselt. Wir konzentrierten uns nur noch auf den Computermonitor vor uns.
Er war auf unser eindeutiges Angebot eingegangen!
Er fand diese Idee, zu uns zu kommen, sehr prickelnd! Bereitwillig hatte ich ihm daraufhin - ohne weitere Fragen seinerseits - unsere Adresse mitgeteilt.
Ramirez spannte sich an. Seine Hand ruhte auf seinem Holster, in der seine Waffe, seine Lissy, wie er sie liebevoll nannte, steckte.
Gespannt blickten wir auf den Monitor, jederzeit für die Antwort bereit. Würde er sich aus der sicheren Anonymität des Internets locken lassen? Hatte er unseren Köder wirklich geschluckt?
Wir hofften es!
Doch zunächst blieb der Bildschirm leer und wir dachten schon für einen kurzen Moment, einen Fehler gemacht und ihn verloren zu haben - aber die Verbindung war noch nicht unterbrochen worden.
Also warteten wir weiter.
Es waren nur Sekunden, die uns jedoch wie Minuten vorkamen.
Dann erschien endlich eine Zeile unter unserem eindeutigen Angebot!
Das wäre wunderbar! Herrlich!
Ab diesem Augenblick hatte ich eigentlich damit gerechnet, dass er den Chat schließen würde und wir uns hier auf ihn vorbereiten könnten.
Doch so leicht wollte er es uns offenbar doch nicht machen.
Er schrieb weiterhin Botschaften und malte sich, immer in kurzen Passagen, unser Zusammentreffen aus. Wie anziehend er uns finden würde, wie er mit uns in den Tanz einsteigen könnte, langsam zu streicheln beginnen würde. Zwischen den Nachrichten lagen immer Zeitabstände von ein oder zwei Minuten.
“Ich denke, er ist auf dem Weg.” sagte ich zu Ramirez.
Er nickte nur. Langsam zog er seine Lissy aus dem Holster und entsicherte sie.
Die Waffe war groß, mit einem breiten Holzschaft und einem schweren Lauf.
Doch in seinen großen Händen sah sie fast wie Spielzeug aus. Noch hatte Ramirez sie nur locker auf seinem Oberschenkel liegen.
Ich sah keinerlei Nervosität bei ihm.
Völlig ruhig saß er neben mir, den Blick weiter auf den Monitor gerichtet, den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt. Die Stirn zeigte leichte Denkfalten, vielleicht das einzige Anzeichen seiner inneren Anspannung. Aber in seinen Augen sah ich dieses Feuer.
Er wartete auf ihn! Er wollte ihn endlich zur Strecke bringen, um wieder ruhig schlafen zu können.
Bei unserem letzten nächtlichen Abenteuer im Keller hatte er mir erzählt, dass auch er seit einigen Tagen unter unruhigem Schlaf litt. Es gab auch bei ihm kaum lange Phasen, in denen er durchschlafen und sich erholen oder abschaltenhätte können. Er hatte keine ruhigen Träume mehr und fühlte sich gehetzt, sobald er die Augen schloss.
Eine bessere Beschreibung hätte ich selbst auch nicht abgeben können - denn mir erging es ja schon seit Wochen so. Ich sagte ihm, dass ich das schon lange durchmachen würde, und er meinte nur, dass er das wisse.
Also sah man es mir an.
Er hatte daraufhin nur bestätigend genickt und dann breit gegrinst, denn je schneller wir diesen Kerl wegsperren konnten, um so schneller würden wir auch wieder ruhig schlafen können!
Doch in diesem Augenblick war von den Erschöpfungen der letzten Tage nichts zu sehen. Ich konnte die Kraft förmlich fühlen, die sich jetzt in seinen Armen und Händen konzentrierte.
“Sieh an …” sagte er plötzlich leise und deutete auf den Bildschirm.
Eine weitere Botschaft war erschienen.
Ich bin nicht mehr weit weg von dir. Bald, bald schon bin ich da!
Und nach einer kurzen Pause fügte er noch
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