Dunkle Spiegel
angebrüllt. Ich blieb stehen, ein Knie zum Abstützen auf dem Sitz des Stuhls. Ich zielte auf den ersten, der mir am nächsten stand.
Schon sah ich Ramirez auf den Flur gestürmt kommen, auch er hatte seine Waffe im Anschlag, wurde aber sofort mit einem gekonnten Handgriff von einer wesentlich kleiner wirkenden Person entwaffnet und unsanft zu Boden geworfen.
Ein Mann kam näher an mich heran. Ich sah nur das grüne Licht eines Nachtsichtgerät, dass er offenbar wie eine Brille trug. Er hielt seine Pistole mit Laserzielvorrichtung auf mich gerichtet.
Ich zögerte.
Das Einsatzkommando…? ging es mir durch den Kopf.
“Legen Sie jetzt die Waffe hin! Letzte Warnung!”
Der Klang dieser Stimme kam mir irgendwie bekannt vor. Langsam senkte ich die Waffe und legte sie auf den Boden, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
“Becker?” fragte ich leise und in der Hoffnung, dass mich mein Gefühl nicht täuschte. Das Licht am Nachtsichtgerät erlosch.
“Wohnung gesichert!” erschallte es von rechts.
Helles Licht wurde eingeschaltet und blendete mich für einen Augenblick. Dann erkannte ich sieben Männer, die alle mit Tarnfarben, Nachtsichtgeräten und Kampfanzügen vor uns standen. Mein Gegenüber zog die Nachtsichtbrille ab. Alle anderen taten es ihm nach.
“Scheiße! Was ist schief gelaufen? Wo ist unser Zielobjekt? Wo ist er?” fragte Becker mich knurrend.
*** 40 ***
Ein paar Minuten später hatten wir uns alle von dem Schreck und der Anspannung erholt.
Wie sich herausstellte, hatte man für diesen Einsatz nicht unser eigenes Team für Spezialeinsätze dieser Art eingesetzt, sonder einen speziellen Trupp von Männern angefordert, der auch schon im Ausland tätig gewesen waren. Dementsprechend kannten sie weder Ramirez oder mich, noch umgekehrt.
Unsere Männer waren zugegebenermaßen auch nicht so hervorragend ausgerüstet wie diese Truppe, die noch vor ein paar Augenblicken diese Wohnung gestürmt hatten.
Aber sie fanden nur einen: mich!
Und da sie mich nicht kannten, war ich als Zielperson zunächst zu entwaffnen und unschädlich zu machen - alles streng nach Vorschrift!
Getreu dem Motto: erst handeln, dann Fragen stellen!
Aber die Stimme des Truppführers war mir irgendwie bekannt vorgekommen. Anton Becker.
Ein kantiger Mann mit sehr viel Erfahrung in Kampfeinsätzen aller Art. Nicht gerade jemand, dem man nachts begegnen wollte, wenn dieser gerade mal schlechte Laune hatte.
Ich hatte ihn vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Einsatztraining kennengelernt und war trotz seiner mürrischen und etwas verschlossenen Art gut mit ihm ausgekommen. Wir hatten eine gemeinsame Basis: wir beseitigten beide den Abfall der Gesellschaft, jeder auf seine Weise!
Und nun saßen wir im Wohnzimmer unserer Kollegin und versuchten, die Situation zu klären.
Wir rekapitulierten die vergangenen zwei Stunden.
Der Chat hatte stattgefunden. Unser Chatpartner hatte sich vielversprechend angehört. Mehr noch: er passte sogar in das Täterprofil, dass wir uns erstellt hatten. Darauf hatten wir ihm ein eindeutiges Angebot gemacht, um ihn zu ködern. Und er war darauf eingegangen. Dann entstanden die Pausen zwischen den Nachrichten, die wir als Zeichen des Näherkommens gedeutet hatten. Die Anspielungen, die Hektik in den Zeilen - alles hätte gepasst!
Aber wo war er? Was war passiert?
“Wir haben den Dialog bis ins kleinste Detail mitverfolgt. Der Schlüsselcode war deutlich! Er wollte kommen!” sagte ein Mann namens Miguel Larivas mit einem deutlich enttäuschten Unterton in der Stimme. “Wir machten uns einsatzbereit, aber unsere Wärmedetektoren zeigten nichts an! Als dann die letzte Nachricht, dass er schon da sei, auf dem Bildschirm erschien, kam für uns nur eine einzige Möglichkeit in Betracht: er musste einen anderen Zugang gefunden haben. Obwohl das schon fast unmöglich war, denn eure Undercover-Agenten hätten ihn irgendwo sehen müssen! Aber wir mussten dennoch davon ausgehen, dass er es irgendwie geschafft haben musste.”
“Dann erfolgte das Standardprotokoll.” fuhr Becker knurrend fort. “Sichern und absuchen! Wir suchten vom Keller bis zum Dachstuhl alles ab. Aber da warnichts! Niemand! Eure Agenten durchsuchen gerade auch noch die Wohnungen über und unter dieser hier. Die Ausgänge sind gesichert. Sollte er versuchen hier ´rauszukommen, müsste er schon ein sehr guter David Copperfield sein.” Ein leises, zustimmendes Lachen ging durch seine Truppe, während er selbst keine Miene
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