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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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erzählt…«
    »Ich will wissen, wer es ist, bevor es Aussichten auf ›Erfolg‹
    gibt!« Alastair funkelte sie wütend an. »Dann könnte es nämlich bereits zu spät sein!«
    »Nun ärgere dich nicht über etwas, das noch gar nicht passiert ist«, sagte Mary munter. »So, McTeer, servieren Sie jetzt den Nachtisch. Dann können wir das Mahl in angenehmer Stimmung zu Ende bringen, bevor ihr Miss Latterly und mich zum Bahnhof bringt. Es ist ein schöner Abend, und wir werden eine angenehme Reise haben. Hector, mein Lieber, bitte sei so freundlich und reiche mir den Rahm. Ich glaube, ich möchte etwas Rahm dazu, was auch immer es sein mag.«
    Lächelnd war Hector ihr gefällig, und für den Rest der Mahlzeit plauderte man wieder über Nebensächlichkeiten, bis es schließlich Zeit wurde, sich zu erheben, die Mäntel anzuziehen und mit dem Gepäck nach draußen zu gehen, wo die Kutsche bereits wartete.

2
    »Komm, Mutter.« Alastair nahm ihren Arm und führte sie durch das Gedränge zum Zug, der bereits, gewaltig und schimmernd, eingefahren war; die Türen mit den Messinggriffen standen offen, die polierten Seitenwände der Waggons schienen noch in die Höhe zu wachsen, als sie sich ihnen näherten. Die Lokomotive spuckte ein Rauchwölkchen aus. »Keine Sorge, wir haben noch eine halbe Stunde Zeit«, sagte Alastair. »Wo ist Oonagh?«
    »Ich glaube, sie erkundigt sich, ob er pünktlich abfährt«, antwortete Deirdra und rückte etwas näher an ihn heran, als ein Gepäckträger einen Wagen mit fünf Koffern vorbeischob.
    »’n Abend, Miss.« Er tippte sich an die Mütze, »’n Abend, Sir. Ma’am.«
    »Guten Abend«, erwiderten sie zerstreut. Sie erwarteten derlei Höflichkeiten und erlebten sie doch als Störung ihres Beisammenseins. Hector hatte den Mantelkragen hochgeschlagen, als wäre ihm kalt; er sah Mary an, obwohl sie sich halb von ihm abgewandt hatte. Eilish ging neugierig auf die offene Waggontür zu. Baird bewachte Marys drei Koffer, und Quinlan trat von einem Fuß auf den anderen, als könne er es nicht erwarten, die Angelegenheit endlich hinter sich zu bringen.
    Oonagh stand einen Augenblick lang unentschlossen herum, sah erst Alastair und dann ihre Mutter an. Und dann, als hätte sie einen Entschluß gefaßt, nahm sie Marys Arm und führte sie den Bahnstein entlang, bis sie den Wagen erreicht hatte, in dem zwei Plätze für Mary reserviert waren. Hester folgte ein paar Schritte dahinter. Mary würde nur eine Woche fort sein, und doch mußte eine Fremde, zumal eine Angestellte, in einem solchen Moment darauf achten, nicht allzu präsent zu sein. Noch hatte ihr Dienst nicht begonnen.
    Innen sah der Wagen völlig anders aus als der Wagen zweiter Klasse, in dem Hester angereist war. Es war kein großer, offener Fahrgastraum mit harten Sitzen und steifen Rückenlehnen, sondern eine Reihe von separaten Abteilen, in denen sich zwei gepolsterte Sitzbänke gegenüberstanden. Auf jeder von ihnen hätten drei Leute bequem nebeneinander Platz gehabt, und – ein wundervoller Gedanke – allein konnte man sich darauf behaglich ausstrecken und, die Füße unter dem Rock versteckt, ein gemütliches Schläfchen halten. Man konnte sich vor Störungen sicher fühlen, denn ein einziger Blick verriet, daß das ganze Abteil für Mrs. Mary Farraline und Begleitung reserviert war. Hester war bereits blendender Laune. Es würde ganz anders sein als während der langen, anstrengenden Anreise, auf der sie immer nur in kurzen, ständig gestörten Schlummer gefallen war.
    Mary betrachtete diesen Komfort als selbstverständlich. Wahrscheinlich war sie schon öfter in Abteilen der ersten Klasse gereist, und sie hatten ihr nichts Interessantes mehr zu bieten.
    »Die Koffer sind im Gepäckwagen«, sagte Baird. Er stand in der Tür und blickte Mary so direkt ins Gesicht, wie er es sonst bei niemandem tat. »In London wird man sie für dich ausladen. Bis dahin kannst du sie vergessen.« Er legte die kleine Reisetasche mit Waschzeug und dem Arzneiköfferchen ins Gepäcknetz über ihrem Kopf.
    Alastair sah ihm mürrisch zu, sagte aber nichts, als wäre längst alles gesagt und habe ohnehin nichts bewirkt, damals nicht und heute nicht. Seine Sorge galt seiner Mutter. Er wirkte beunruhigt und ungehalten.
    »Es wird dir an nichts fehlen, Mutter. Ich hoffe, es wird eine ereignislose Reise.« Er sah Hester dabei nicht an, aber es gab keinen Zweifel, was er meinte. Er beugte sich hinunter, als wollte er Mary auf die Wange küssen, dann

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