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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Erklärung abzugeben, deren Inhalt Sie bereits kennen. Sie sind doch kein Idiot, Mann! Sie haben doch genau verstanden, was passiert ist.«
    »Nein, Euer Ladyschaft, das habe ich nicht«, sagte er ruhig.
    »Ich verstehe nicht, warum eine unbescholtene Frau, die sich um Kranke kümmert, einer alten Dame ein Schmuckstück stiehlt. Und so stellt die Sache sich zweifellos dar. Ich fürchte, Miss Latterly, Sie müssen mit uns kommen.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Und machen Sie es nicht schwerer, indem Sie Widerstand leisten. Ich möchte Ihnen nicht gerne Handschellen anlegen aber ich tu’s, wenn Sie mich dazu zwingen.«
    Zum zweitenmal an diesem Tag traf lähmendes Entsetzen sie wie ein Schlag, bevor es sich in kalte, erbarmungslose Gewißheit auflöste.
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte sie mit sehr leiser Stimme.
    »Ich habe Mrs. Farraline nichts gestohlen. Sie war meine Patientin, und ich habe sie sehr geschätzt. Noch nie habe ich irgend jemandem etwas gestohlen.« Sie wandte sich an Callandra. »Ich danke Ihnen sehr, aber ich glaube, Protest wäre völlig sinnlos.« Sie war den Tränen gefährlich nahe und traute sich nicht zu, noch etwas zu sagen, am allerwenigsten zu Monk.
    Callandra holte die Brosche, die sie auf den Kaminsims gelegt hatte, bevor Hester gegangen war, und übergab sie wortlos dem Sergeanten.
    »Danke, Ma’am.« Er wickelte sie in ein großes, sauberes Taschentuch, das er aus der Manteltasche gezogen hatte. Dann wandte er sich wieder an Hester. »Nun denn, Miss, am besten kommen Sie jetzt gleich mit mir. Vielleicht kann Constable Jacks Ihre Reisetasche mitnehmen. Dann haben Sie alles, was Sie brauchen, zumindest für diese Nacht.«
    Hester war zunächst verblüfft, doch dann fiel ihr ein, daß sie natürlich von der Reisetasche wußten. Sie hatten ja auch gewußt, wo sie zu finden war. Ihre Hauswirtin mußte ihnen Callandras Adresse gegeben haben.
    Ihr blieb gerade noch Zeit, einen Blick auf Monk zu werfen, der vor Wut kochte. Und dann fand sie sich auch schon in der Halle wieder, von zwei Polizisten in die Mitte genommen, die sie unerbittlich durch die Haustür brachten, hinaus in den kalten, grauen Tag und den strömenden Regen.

4
    Hester saß im Fond des schwarzen, geschlossenen Polizeifuhrwerks zwischen dem Constable und dem Sergeant. Sehen konnte sie nichts, sie spürte nur das Schwanken und Ruckeln der Kutsche, mit der man sie von Callandras Haus an einen ihr unbekannten Ort brachte. Ihr Verstand war in sinnlosem Aufruhr. Es kam ihr vor, als wäre ihr Kopf mit Lärm und Finsternis gefüllt. Keinen Gedanken konnte sie festhalten; kaum glaubte sie ihn gefaßt zu haben, wurde er ihr auch schon wieder entrissen.
    Wie war die Perlenbrosche in ihre Tasche gekommen? Wer könnte sie hineingetan haben? Und warum? Mary hatte sie zu Hause gelassen. Das hatte sie ihr gesagt. Warum hatte ihr jemand so übel mitgespielt? Sie hatte doch gar keine Zeit gehabt, sich Feinde zu machen, selbst wenn sie jemandem wichtig genug gewesen wäre.
    Der Wagen hielt an, aber durch die verhängten Seitenfenster war nichts zu sehen. Weiter vorne wieherte ein Pferd, und ein Mann stieß einen Fluch aus. Mit einem Ruck setzten sie sich wieder in Bewegung. War sie das Opfer eines Komplotts geworden, eines finsteren Racheplans, von dem sie keine Ahnung hatte? Aber was war das für ein Plan? Wie sollte sie sich verteidigen? Wie sollte sie irgend etwas beweisen?
    Sie warf einen Seitenblick auf den Sergeant, der aber schaute stur nach vorne, sie sah nur sein unbewegtes Profil. Als sie schließlich das Revier erreicht hatten, brachte man sie in einen stillen, düsteren Raum und beschuldigte sie ganz offiziell, eine Perlenbrosche aus dem Besitz ihrer Patientin, der in der Zwischenzeit verstorbenen Mary Farraline aus Edinburgh, entwendet zu haben.
    »Ich habe sie nicht genommen«, sagte sie leise.
    Ihre Gesichter waren traurig und voller Geringschätzung. Niemand antwortete ihr. Sie wurde zu einer Zelle gebracht, mit einer Hand im Nacken sanft hineingestoßen, und noch bevor sie sich umgedreht hatte, war die schwere Tür hinter ihr ins Schloß gefallen, und der Riegel wurde vorgeschoben.
    Die Zelle war acht oder neun Quadratmeter groß, auf einer Seite standen eine Pritsche und ein hölzernes Gestell mit einem Loch in der Mitte, welches offensichtlich der Verrichtung menschlicher Bedürfnisse dienen sollte. Über der Pritsche befand sich ein hohes, vergittertes Fenster, die Wände waren weißgetüncht, und der schwarze

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