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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hast deinen Weg gewählt. Ich habe alles versucht, dich davon abzuhalten. Immer wieder hab’ ich dir gepredigt zu heiraten, als es noch Bewerber gab oder zumindest gegeben hätte, wenn du dich ein bißchen bemüht hättest. Aber du wolltest nicht hören. Nein, ich fürchte, jetzt ist es zu spät. Selbst wenn die Angelegenheit sich zum Guten wendet, was ich inständig hoffe, und du von aller Schuld freigesprochen wirst – einen Mann, der dir ein ehrenwertes Angebot macht, wirst du nicht mehr finden, es sei denn einen Witwer, der eine anständige Frau sucht, die ihm…«
    »Ich will keinem Witwer das Haus in Ordnung halten!« Die Tränen wollten ihr die Stimme ersticken. »Lieber arbeite ich als bezahlte Haushälterin, als mich heiraten zu lassen und mir einzureden, es wäre aus Liebe geschehen, wo er doch nur eine Magd haben wollte, die ihn nicht mehr kostet als ein Dach über dem Kopf und was zu essen auf dem Teller!«
    Charles erhob sich mit steifem, blassem Gesicht. »Viele Ehen werden in erster Linie aus praktischen Erwägungen geschlossen. Der gegenseitige Respekt kommt oft viel später. Das tut dem Stolz keinen Abbruch.« Ein Lächeln spielte ihm um die Lippen und hellte seinen Blick auf. »Du bezeichnest die Frauen als so schrecklich praktisch und bist dabei selber das romantischste und unpraktischste Geschöpf, das ich je gesehen habe.«
    Sie erhob sich ebenfalls, zu bewegt, um zu antworten.
    »Das nächste Mal bringe ich dir eine Seife mit. Bitte… bitte verliere die Hoffnung nicht.« Die Worte klangen unecht, als entledige er sich nur einer Pflicht. »Mr. Rathbone ist der beste Anwalt, den man…«
    »Ich weiß!« schnitt sie ihm das Wort ab. Sie konnte diese einstudierte Unaufrichtigkeit nicht mehr ertragen. »Danke für deinen Besuch.«
    Er trat einen Schritt nach vorne, als wolle er sie auf die Wange küssen, aber sie wich zurück. Einen Augenblick lang war er verblüfft, doch dann akzeptierte er die Zurückweisung beinahe erleichtert. Er war entlastet und konnte gehen, fort von ihr und von diesem Ort.
    »Bis… bis bald«, sagte er, wandte sich zur Tür um und klopfte heftig dagegen, damit die Wärterin ihn herausließ.
    Am nächsten Tag hatte sie Besuch von Oliver Rathbone. Es ging ihr zu schlecht, um wirklich Freude zu empfinden, und die Sorge um ihren seelischen Zustand stand ihm bereits im Gesicht. Und dann, nach einer förmlichen Begrüßung, spürte sie, daß dieses Gesicht auch seine eigenen Gefühle widerspiegelte.
    »Was ist los?« fragte sie mit zittriger Stimme. Sie verspürte plötzlich entsetzliche Angst. »Was ist passiert?«
    Sie standen in dem weißgetünchten Raum mit dem Tisch und den hölzernen Stühlen. Er nahm ihre Hände in seine. Es war eine instinktive Geste, keine kalkulierte, und seine Behutsamkeit steigerte ihre Angst nur noch. Ihr Mund war trocken, und sie mußte Luft holen, um ihre Frage zu wiederholen, doch die Stimme versagte ihr.
    »Sie haben angeordnet, daß in Schottland gegen Sie verhandelt wird«, sagte er sehr ruhig. »In Edinburgh. Ich habe keine Argumente, dagegen vorzugehen. Sie gehen davon aus, daß ihr das Gift auf schottischem Boden verabreicht wurde, und da wir behaupten, daß die tödliche Dosis im Haus der Farralines präpariert wurde und nicht von Ihnen, fällt das Verbrechen zweifelsfrei in schottische Zuständigkeit. Es tut mir so leid.«
    Sie verstand es nicht. Warum war es ein vernichtender Schlag? Er wirkte völlig niedergeschmettert, aber sie kannte den Grund dafür nicht.
    Eine Sekunde lang schloß er die Augen, dann öffnete er sie wieder – seine dunklen, dunkelbraunen, traurigen Augen.
    »Sie werden nach schottischem Recht angeklagt«, erklärte er ihr. »Ich bin Engländer. Ich darf Sie nicht vertreten.«
    Jetzt hatte sie verstanden. Es traf sie wie ein Faustschlag ins Gesicht. Sie war zu konsterniert, um etwas zu sagen; nicht einmal weinen konnte sie.
    Er drückte ihre Hand so fest, daß ihr die Finger weh taten. Dieser leichte Schmerz war ihre einzige Verbindung zur Realität. Er war beinahe eine Erleichterung.
    »Wir finden den besten Anwalt in ganz Schottland«, sagte er gerade. Seine Stimme schien von ganz weit her zu kommen.
    »Das Honorar übernimmt Callandra, und bitte jetzt keine Widerworte. Über solche Dinge können wir später reden. Natürlich fahre ich auch nach Edinburgh und werde ihn dort beraten, so gut ich kann. Aber sprechen muß er, auch wenn es meine Worte sind.«
    Sie wollte ihn fragen, ob es nicht doch irgendeine

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