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Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Titel: Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Schröder
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dahinter etwas sehr Wichtiges verbarg. Nur was, konnte sie nicht sagen. Neben jener Tür stand eine Kerze, deren schwache Flamme im leichten Windzug flackerte. Hoffnungsvoll war sie auch noch zu dieser letzten Tür gelaufen. Und je näher sie ihr kam, desto größer wurde die Flamme. Sie breitete sich aus und strahlte immer heller, bis sie sich geblendet abwenden musste. Als sie sich, trotz des grellen Lichts, zwang, die Augen wieder zu öffnen, entdeckte sie, dass zu ihren Füßen, anstelle der Kerze, Lucas Buch lag.
    Dieses Buch mit seinen verrückten Aufzeichnungen. Von der ersten Seite an war ihr jedes einzelne Wort unverständlich. Egal, wie sehr sie sich auch bemühte, einen Sinn in den verwirrenden Notizen und den hastig hingeworfenen Skizzen zu erkennen, ihr wollte einfach nicht gelingen, sie auch nur ansatzweise zu verstehen. Schließlich gab sie völlig frustriert auf. Die Einzelheiten, die sie wenigstens halbwegs entziffern konnte, waren scheinbar ohne jeden Zusammenhang. Die einzig erkennbare Verbindung zwischen diesen geheimnisvollen Worten und Zeichnungen war, das Porträt eines Mannes, das auf nahezu jeder Seite auftauchte und ein Name, Ion.
     Obwohl nichts davon einen Sinn ergab, versuchte sie sich dennoch so viele Informationen wie möglich einzuprägen. Vielleicht lagen in all den mittelalterlich wirkenden Stadtsilhouetten, Häuserfassaden, Straßen, freie Plätze, Schiffe und hunderte Gesichter von Männern, Frauen und Kindern doch irgendwelche Hinweise versteckt, die ihr zu gegebener Zeit von Nutzen waren?
    Trotzdem war sie sehr enttäuscht. Der ganze Tag war verstrichen, war nutzlos verstrichen, und jetzt brach die Nacht herein, und mit jeder Minute wuchs auch ihre Angst. Bald erwachten die Hirudo und mit ihnen natürlich auch Lucas. Sie war doch überhaupt nicht auf die Begegnung mit ihm vorbereitet. Wie sollte sie nur mit dem, was da auf sie zukam, fertig werden? Jarout mochte die Situation ja ganz klar vor sich sehen - für Karen jedoch, gab es nunmehr eine Verwirrung nach der anderen.
    Plötzlich hörte sie ein Geräusch vom anderen Ende des Zimmers. Gedämpftes Lachen, wispernde Stimmen, raschelnde Schritte, die schnell näher kamen, dann eine Bewegung, die sie nur aus den Augenwinkeln als Schatten wahrnahm. Zwei Frauen traten an das hohe Fenster direkt vor der Couch, auf der sie lag. Das heller werdende Licht des Mondes schimmerte durch den weißen Stoff ihrer seidig fließenden Kleider und enthüllte die schmalen Silhouetten ihrer beinahe grotesk schlanken Körper. Stumm hielten sie einander an den Händen und sahen hinaus in den Garten, als warteten sie auf etwas Bestimmtes.
     
    Karens Herz hämmerte panisch und ihr stockte der Atem. Wo verdammt noch mal war Jarout? fluchte sie in Gedanken. Wo verdammt ist der Kerl, wenn sie ihn brauchte? Der Schreck, über das plötzliche Erscheinen dieser bizarren Gestalten, lähmte sie einen Augenblick, doch dann setzte ihr Atem ein, stoßweise, unregelmäßig. Angespannt versuchte sie so leise und flach wie möglich zu atmen.
    »Die Schwestern« nannte sie Jarout, jagte es durch ihren Kopf. Unberechenbar und bedrohlich. Geh ihnen aus dem Weg! Danke Jarout! Vielen Dank! Besser, du hättest mir noch verraten, wie ich das anstelle.
    Sie war froh, dass sie noch nicht aufgestanden war und ihnen irgendwo im Haus in die Hände gelaufen war. Jetzt konnte sie sich wenigstens verstecken und hoffen, dass sie verschwanden, ohne sie zu entdecken.
    Und dann, wie auf ein geheimes Zeichen hin, als habe jemand Karens stummes Gebet gehört, rafften sie gleichzeitig den Stoff ihrer Kleider über die Schultern nach vorn und enthüllten jeweils ein lederartiges, braunes Paar Flügel. Fassungslos starrte Karen ihnen nach, als sie das Fenster weit aufstießen und hinaus in den Garten gingen.
    Bei ihrem Anblick verkrampfte sich Karens Magen. Was waren das für Geschöpfe, die menschlich aussahen, aber Flügel auf ihrem Rücken trugen? Sie standen jetzt einfach nur mitten im Garten und rührten sich nicht. So still im grauen Zwielicht des Mondes hätte man sie leicht für zwei steinerne Figuren halten können, wäre nicht ab und an ein leichtes Zucken durch die dünne Haut ihrer Flügel gefahren. Minutenlang verharrten sie so. Die Flügel, wie anmutig gebogene Baldachine über ihre Köpfe gereckt, bis sie sich schließlich beide kerzengerade aufrichteten, ihre Schwingen zur Seite ausbreiteten und blitzschnell, mit peitschenden Flügelschlägen, hinauf in die mondhelle Nacht

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