Durst: Thriller (German Edition)
denken, jetzt möchte ich mich entspannen. «
» Bravo. Dann geh schnell duschen, ich sterbe vor Hunger. «
Matheus blieb jedoch liegen. » Was weißt du über Miller-Johannsen? «
Cássia zog eine Augenbraue hoch. » Meinst du den Industriekonzern Miller-Johannsen? «
» Gibt es noch andere? «
» Was hast du denn mit denen am Hut? «
» Reine Neugierde. Du weißt doch immer alles. Also sag schon: Was weißt du? «
» Nun… Das ist der zweit- oder drittgrößte Industriekonzern Brasiliens. Wir sprechen hier von Milliardenumsätzen. Stahl, Straßen, Brücken, Staudämme, um nur die Hauptsegmente zu nennen. Dann gibt es noch ein Universum an kleineren Marken und Beteiligungen. «
» Habt ihr je für diese Leute gearbeitet? «
Cássia lachte. » Leider nein. Vor ein paar Jahren, als ich gerade in der Kanzlei angefangen hatte, standen wir kurz davor. Ich meine, mich erinnern zu können, dass die Unternehmensteile ausgliedern wollten, aber genau weiß ich das nicht mehr. An der Börse waren sie jedenfalls schon. Wir haben das Mandat allerdings nicht angenommen. «
» Mhm. «
» Ist das Verhör jetzt vorbei, Professor Braga? Die wesentliche Information hier und jetzt ist, dass ich Hunger habe. Wenn Sie sich also bitte in diese wunderbare Dusche bequemen würden. Danke. «
Er gehorchte und war im nächsten Moment im Bad verschwunden.
Ende der Siebzigerjahre war Angela Young eine der schönsten und begehrtesten Frauen von Salvador gewesen.
Sie kam aus Feira de Santana, der bevölkerungsreichsten Stadt des Sertão von Bahia. Angela sang, wollte aber nie Sängerin werden. Sie schrieb, gab ihre Gedichte aber niemandem zu lesen. In ein Heft malte sie die Erinnerungen an ihre Kindheit in einer kargen Landschaft, zwischen Bauern und wilden Tieren. Etliche junge Musiker wollten sie unbedingt auf die Bühne holen, und sie ließ sich jedes Mal überreden– um dann mit ihrer glockenklaren Stimme das Publikum zu bezaubern. Es fiel sogar ein wenig Geld dabei ab.
In jener Zeit gab es in Salvador ein paar verrufene Bars, in denen man es wagte, die zensierten Lieder von Caetano, Chico Buarque und Gonzaguinha zu singen. Brasilien befand sich auf dem Höhepunkt der Militärdiktatur, und Polizeispione, die nichts Besseres zu tun hatten, mischten sich unter das Publikum dieser Kaschemmen. Der Versuch, sie zu enttarnen, war ein großer Spaß.
Angela verkehrte damals auch in den Malerateliers der Altstadt. Man bat sie, Modell zu sitzen, und sie tat das gern, da sie die Künstler dann bei der Arbeit beobachten konnte. So lernte sie Eliomar kennen.
Wenn in jenen Jahren ein Kunsthändler auf der Suche nach exotischen Schätzen nach Salvador kam, dann kehrte er nie ohne ein Werk von Eliomar heim.
Er selbst bezeichnete sich als Schüler von De Chirico und Di Cavalcanti und pflegte zu sagen: › Meine Kunst ist metaphysische Fischsuppe. ‹ Was auch immer man sich darunter vorzustellen hatte– es war genau das, was Angela gerne gemalt hätte. Als sie zum ersten Mal ein Bild von Eliomar sah, schlug sie die Hand vor den Mund und begann zu weinen. Eines Tages dann erkundigte sich eine befreundete Galeristin, ob sie für ihn Modell sitzen wolle.
Eigentlich hatte sie Angst. Die Menschen auf Eliomars Bildern waren durchsichtige Schatten, die in den Farben der Dinge ertranken. Dennoch sagte sie zu, weil sie ihn kennenlernen und beim Malen beobachten wollte. Sie hatte einen alten Mann erwartet, aber Eliomar war dreißig und hatte Sommersprossen und einen krausen rostroten Bart.
Als sie Eliomars Atelier zum ersten Mal betrat, beschloss Angela, nie wieder zu malen.
Eliomar verbrachte einen ganzen Vormittag damit, sie anzustarren, und redete praktisch kein Wort. In der zweiten Sitzung bat er sie, sich auf einem ungemachten, mit lauter Früchten bedeckten Bett auszustrecken. Sie zog sich vollständig aus und legte sich zu den Früchten. Viele Tage lang malte er sie so. Ihm war klar, dass er sich unsterblich in sie verliebt hatte.
Sie bewunderte seine Malerei, fühlte sich aber nicht im Mindesten zu ihm hingezogen. Trotzdem schliefen sie miteinander. Wenn Angela ging, legte er sich in die schmutzverkrustete Badewanne in seiner winzigen Wohnung über dem Atelier, öffnete den Hahn mit dem eiskalten Wasser und blieb stundenlang mit geschlossenen Augen so liegen.
Eines Tages lernte Angela in einer Strandbar in Itapuã einen jungen Engländer kennen. Eine Art Möchtegern-Hippie, wie sie damals haufenweise mit dem Roman von Jack Kerouac im
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