EB1021____Creepers - David Morell
fuhr ihm in
die Kehle. Nein, dachte er. Nein! Ein Blitz schlug am Strand
ein. Der Regen wurde stärker, und seine durchweichte Klei‐
dung fühlte sich noch eisiger an, aber die Kälte war nichts ge‐
gen das kalte Gefühl, das er jetzt empfand. Er sah sich nach
einer Stelle um, wo er das Seil befestigen konnte, das in seinem
Rucksack steckte. Ein Entlüftungsrohr. Als er näher kam, zeig‐
te die Brille ihm Rostspuren. Als er mit der Schuhspitze dage‐
gentrat, hielt das Rohr. Er trat stärker zu. Das Rohr hielt im‐
mer noch. Er wischte Regen von der Brille und kehrte zu dem
Fensterladen zurück. Eine weitere schwammige Stelle drohte
unter ihm einzubrechen. Er umging sie, machte drei Schritte,
und plötzlich brach sein linker Schuh durch die Oberfläche. Er
erstarrte und verlagerte das Gewicht auf den anderen Fuß.
Langsam zog er den Schuh heraus. Tastend ging er weiter.
Als er die Hand ausstreckte, um den Fensterladen zurück‐
zuschieben, fuhr er zusammen, denn der Laden schien sich
von allein zu bewegen. Amandas Arm tauchte auf, um ihm
durch das Fenster ins Innere zu helfen. Triefend und schau‐
dernd kletterte er in die Küche hinunter und schloss den La‐
den. Nach der frischen Luft draußen war die Atmosphäre von
Rauch, Schmerz und Tod im Inneren des Penthouse überwäl‐
tigend. Seine Brille konnte nicht verbergen, wie enttäuscht er
war. »Was ist los?«, fragte Amanda. » Zu dritt schaffen wir’s
nicht.«
»Nicht?«
»Wir zwei mit Vinnie – das Dach würde das Gewicht nicht
aushalten. Wenn ihr einzeln gehen würdet, könntet ihr es
schaffen. Aber wenn ich Vinnie trage, dann… er und ich wür‐
den einbrechen. Wir könnten bis ins Erdgeschoss fallen.«
»Aber…«
»Geht«, flüsterte Vinnie schmerzlich. Balenger war über‐
rascht, dass er wieder bei Bewusstsein war.
»Halte euch nur auf.« Der Schmerz machte Vinnies Mur‐
meln fast unverständlich. »Geht. Holt Hilfe.«
»Nein, ich lasse dich nicht hier.« Balenger nahm den Ruck‐
sack ab und holte das Seil heraus. »Amanda, du wiegst am
wenigsten. Da draußen ist ein Entlüftungsrohr. Ich habe es mir
angesehen. Es wird dich tragen. Leg eine Schlinge darum. Lass
dich an der Wand hinuntergleiten. Zieh das Seil zu dir runter.
Such dir wieder einen festen Punkt und kletter weiter nach
unten.«
Amandas Gesicht verspannte sich von Konzentration. »Wie
weit ist es nach unten?«
»Sieben Stockwerke.«
»Ich lasse mich an dem Seil runter? Man nennt das ›rappe‐
ling‹, stimmt’s?«
»Ja.«
»Es ist nicht so einfach, wie es bei dir klingt. Selbst wenn ich
es bis unten schaffe, wie geht es dann weiter? Wo finde ich
Hilfe?«
»Hier in der Gegend ist niemand. Du wirst bis zur Polizei
gehen müssen. Ich kann dir den Weg beschreiben.«
»Wie weit?«
»Ungefähr zwei Meilen.«
Der Rauch brachte Amanda zum Husten. »In diesem
Sturm? So schwach, wie ich bin nach dem Tresorraum? Mit
einem Nachthemd, das die Beine nicht schützt? Ich breche vor
Unterkühlung zusammen, bevor ich da bin. Du musst gehen.«
»Aber –«
»Du bist am kräftigsten. Ich bleibe mit Vinnie hier.« Er sah
sie an. Blondes Haar. Ein entschlossenes, schönes Gesicht. So
sehr wie Diane.
Plötzlich kam ihm die Idee sinnlos vor. »Bis ich wieder zu‐
rückgekommen bin, kann es zu spät sein«, sagte er. »Was sol‐
len wir dann also tun?«
Balenger horchte auf den Regen, der gegen den Laden
schlug. »Vielleicht gibt es nur eine Möglichkeit.« Sie beobach‐
tete ihn und versuchte, sich die Verzweiflung nicht anmerken
zu lassen. »Ich muss ihn mir vornehmen«, sagte Balenger.
»Ja.« Amandas Lippen waren weiß vor Kälte. Neben dem
Spülbecken hing eine Schürze. Er nahm sie und wickelte sie
um ihre ungeschützten Beine. Etwas ließ sie stirnrunzelnd in
eine Ecke sehen. Als er ihrer Blickrichtung folgte, sah er eine
Ratte. Weitere Ratten starrten aus dem Esszimmer herein.
»Der Geruch von Vinnies verbrannten Beinen zieht sie an«,
sagte Amanda.
Noch mehr Ratten tauchten in der Bibliothekstür auf. Eine
hatte nur ein Auge.
Balenger ging ins Schlafzimmer und nahm einen Gegen‐
stand aus Coras Jacke. Als er zurückkam, zeigte er ihn Aman‐
da.
Die Wasserpistole.
»Essig.« Er spritzte in Richtung einer Ratte. Sie lief davon.
Amanda nahm die Pistole.
Rauschen drang aus dem Funkgerät. »Hier unten wird der
Rauch dicker«, sagte Ronnies Stimme. »Dann solltest du dieses
Gebäude vielleicht besser
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