Echo gluecklicher Tage - Roman
Fenster sah, freute er sich, denn das bedeutete, dass er sich mit Beth noch unterhalten konnte. Sonst schlief sie schon, wenn er zurückkam.
Aber als er die Tür öffnete und sie mit einer Decke über den Schultern vor dem Ofen sitzen sah, wusste er, dass etwas nicht stimmte.
»Was ist passiert?«, fragte er. Seine Hände und Füße waren wie Eisblöcke, und er ging zum Herd, um sich zu wärmen. »Sie haben dir doch nicht gesagt, dass sie dich nicht länger brauchen?«
Beth hatte diese Sorge erst letzten Sonntag ausgesprochen, aber Sam glaubte nicht daran, dass man sie entlassen würde, denn bei der Weihnachtsfeier hatte er gespürt, wie sehr Mr und Mrs Langworthy sie inzwischen ins Herz geschlossen hatten.
»Mrs Langworthy möchte, dass wir ihr Molly geben«, platzte Beth heraus und brach sofort in Tränen aus.
Sam kniete sich auf den Boden vor sie und bedrängte sie mit Fragen, bis sie ihm schließlich von dem Angebot berichtete.
»Wäre das denn so schlimm?«, fragte er, als sie fertig war. »Sie hat recht, es wäre gut für Molly.«
»Dir war sie immer schon egal«, beschuldigte Beth ihn verbittert. »Wenn es nach dir gegangen wäre, dann wäre sie damals im Waisenhaus gelandet.«
»Vielleicht war ich nicht besonders nett zu ihr, als sie geboren wurde«, stimmte Sam zu und errötete beschämt. »Das tut mir jetzt leid. Aber sie würde bei den Langworthys ein viel besseres Leben haben als bei uns. Wir könnten nach Amerika gehen und etwas erleben. Denk doch nur, wie schön das wäre!«
»Ich will nichts erleben, ich will Molly.« Beth fing wieder an zu weinen und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Ich hatte mich entschieden, dich alleine fahren zu lassen. Ich weiß, dass es nicht fair von mir ist, dich zurückzuhalten. Also kannst du gehen, und ich bleibe bei ihr.«
Sam schwieg für eine Weile, kniete nur zu Beths Füßen, während sie in ihre Hände weinte. Er dachte oft an die Untreue ihrer Mutter und war verbittert darüber, dass sein Vater sich deswegen das Leben genommen hatte, aber Molly lehnte er deswegen nicht länger ab.
Wie konnte er? Sie war ein so süßes kleines Ding, tatsächlich war er sicher, dass er genauso wütend und entsetzt auf diesen Vorschlag reagiert hätte wie seine Schwester, wenn auch er ständig mit Molly zusammen gewesen wäre.
Aber so, wie die Dinge lagen, war er in der Lage, die Situation objektiver zu beurteilen. Es bestand kein Zweifel, dass die Langworthys Molly die beste Erziehung bieten konnten. Sie waren wohlhabende, einflussreiche Leute, aber sie hatten auch ein gutes Herz. Hätten sie Beth und ihn damals nach dem Brand nicht so großzügig bei sich aufgenommen, dann wären sie vielleicht gezwungen gewesen, in den Slums zu leben, und Molly wäre nicht das gesunde, glückliche Baby, das sie war.
Möglich, dass er dabei bis zu einem gewissen Grad auch an sich selbst dachte. Es wäre wundervoll, zusammen mit Beth nach Amerika gehen zu können, ohne mit einem kleinen Kind belastet zu sein. Sie würden hingehen können, wohin sie wollten, würden frei in ihren Entscheidungen sein, und wenn sie beide arbeiten gehen konnten, dann würden sie auch viel mehr Geld zusammenbekommen.
Am wichtigsten war ihm jedoch, dass Beth ein gutes Leben, einen liebevollen Mann und eigene Kinder hatte. Aber das alles würde sie mit Molly im Schlepptau nicht bekommen, denn die Leute würden die Kleine immer für Beths uneheliches Kind halten. Beth würde immer eine Dienstbotin bleiben müssen, und sie verdiente etwas Besseres.
Aber wie konnte er seine Schwester überzeugen, dass er nicht nur an sich selbst dachte?
»Ich könnte nach Amerika gehen und dich dann nachkommen lassen, wenn ich Fuß gefasst habe«, sagte er. »Aber ich will nicht ohne dich gehen, Beth. Und jetzt, wo die Langworthys uns dieses Angebot gemacht haben, wie wird es uns da ergehen, wenn wir es ablehnen? Was, wenn sie uns wegschicken? Was dann?«
»Das würden sie nicht tun«, erklärte Beth hastig, aber sie sah Sam fragend an. »Oder?«
»Ich weiß es nicht«, gestand er. »Mr Edward hat vielleicht das Gefühl, dass Mollys Anwesenheit seine Frau aufregt. Die Leute werden hässlich, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen.«
Sam beschloss, dass er es dabei bewenden ließ. Beth wusste nur zu gut, dass sie niemals wieder einen solchen Platz zum Leben finden würden. Und sie würde auch kaum einen anderen Job finden, bei dem sie Molly mitnehmen konnte. Sie war intelligent genug, das zu berücksichtigen, wenn sie
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