Echt zauberhaft
gekämpft: mit Schwertern, auch
mit Bögen, Speeren und Keulen… Es gab praktisch keine Waffe, die auf
dieser Liste fehlte.
Doch das hier…
»Mir gefäl t’s noch immer nicht«, sagte Kriecher der Unhöfliche. »War-
um tragen wir Papier?«
»Weil man an einem solchen Ort überhaupt nicht auffäl t, wenn man
mit irgendwelchen Papieren durch die Gegend läuft«, sagte Herr Zerve-
latwurst.
»Wieso?«
»Wasisn?«
»Es ist… eine Art Magie.«
»Ich würde mich besser fühlen, wenn es eine Art Waffe wäre.«
»Papier kann die mächtigste aller Waffen sein.«
»Ich weiß«, sagte der Junge Willie. »Hab mich gerade geschnitten.« Er
leckte sich Blut vom Finger.
»Wasisn?«
»Nun, meine Herren…«, sagte Herr Zervelatwurst stolz. »Wir sind nun
in der Verbotenen Stadt, und niemand ist tot!«
»Ja«, bestätigte Kriecher, »genau darüber beklagen wir uns ja, zum…
Dung!«
Herr Zervelatwurst seufzte. Kriecher der Unhöfliche ging auf besonde-
re Weise mit der Sprache um. Es spielte keine Rol e, welche Worte er
benutzte – man hörte immer das, was er wirklich meinte. Er konnte die Luft blau färben, indem er einfach »Socken« sagte.
Hinter Rincewind schloß sich die Tür, und die Wächter schoben einen
Riegel vor.
Die Kerker des Achatenen Reiches unterschieden sich kaum von de-
nen daheim. Wol te man so erfinderische Geschöpfe wie durchschnittli-
che menschliche Wesen einsperren, verließ man sich auf altmodische
Gitterstäbe aus Eisen und jede Menge Steine. Diese häufig benutzte Me-
thode schien auch hier angewandt zu werden, und zwar schon seit ge-
raumer Zeit.
Offenbar hatte Rincewind den Kaiser beeindruckt, doch aus irgendei-
nem Grund vermittelte ihm dieser Erfolg kein Gefühl der Sicherheit.
Der Mann schien für seine Freunde mindestens ebenso gefährlich zu
sein wie für seine Feinde.
Er erinnerte sich an Norbert Nudel, einen früheren Kommilitonen. Al-
le wol ten seine Freundschaft, doch wenn man zu seiner Bande gehörte,
stel te man schnel fest: Man wurde von der Stadtwache verfolgt oder in
Kämpfen verletzt, die man gar nicht begonnen hatte, während Nudel am
Rande des Geschehens weilte und lachte.
Der Kaiser stand nicht nur vor der Tür des Todes, sondern bereits im
Flur, bewunderte den Teppich und kommentierte den Hutständer. Man
brauchte kein politisches Genie zu sein, um zu begreifen: Wenn jemand
wie der Kaiser starb, so wurde abgerechnet, noch bevor der Leichnam
kalt geworden war. Wer von ihm in aller Öffentlichkeit als Freund be-
zeichnet worden war, hatte dann etwa die gleiche Lebenserwartung wie
kleine Wesen, die bei Sonnenuntergang über einem Forellenbach
schwebten.
Rincewind schob einen Totenschädel beiseite und setzte sich. Konnte
er auf Rettung hoffen? Der Roten Armee würde es selbst schwerfal en,
eine Gummiente vor dem Ertrinken zu bewahren. Außerdem geriet er
dann wieder in die Gewalt von Schmetterling, die ihn fast ebenso ent-
setzte wie der Kaiser.
Er mußte einfach glauben, daß die Götter nach al den Abenteuern
nicht planten, Rincewind in einem Verlies verfaulen zu lassen.
Nein, dachte er bitter. Wahrscheinlich lassen sie sich noch etwas Un-
angenehmeres für mich einfal en.
Das wenige Licht, das den Kerker erreichte, fiel durch ein sehr kleines
Gitter in der Decke und schien schon aus zweiter Hand zu stammen.
Die Einrichtung bestand aus einem Haufen, der einst Stroh gewesen sein
mochte. Rincewind hörte…
… ein leises Pochen an der Wand.
Einmal, zweimal, dreimal.
Rincewind griff nach dem Totenschädel und erwiderte das Signal.
Die Antwort war ein Klopfen.
Er wiederholte es.
Es klopfte zweimal.
Rincewind ließ den Schädel zweimal an die Wand klacken.
Auch das war ihm vertraut – Kommunikation ohne Sinn. Er fühlte
sich fast in die Unsichtbare Universität zurückversetzt.
»Gut«, sagte er, und seine Stimme hallte in der Zelle wider. »Ausge-
zeichnet. Wirklich toll. Und was bedeutet das Klopfen?«
Es knirschte leise, als ein Steinblock in der Wand nach vorn rutschte
und auf Rincewinds Fuß fiel.
»Aargh!«
»Was für ein großes Nilpferd?« fragte eine dumpfe Stimme.
»Wie bitte?«
»Entschuldigung?«
»Was?«
»Du wolltest über die Bedeutung des Klopfens informiert werden,
nicht wahr? Auf diese Weise kommunizieren wir hier zwischen den Zel-
len. Wenn man einmal klopft, so…«
»Kommunizieren wir jetzt nicht miteinander?«
»Doch schon, aber nicht offiziel . Häftlinge… dürfen nicht…
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