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Eden und Orion - Lichtjahre zu dir

Eden und Orion - Lichtjahre zu dir

Titel: Eden und Orion - Lichtjahre zu dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Douglas
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sah mich fragend an.
    »Ignoriere ihn einfach«, sagte ich schnell. »Sein Lebensziel ist, mich so lange zu ärgern, bis ich explodiere, und mich so oft und so effektiv wie möglich zu blamieren. Selbstredend bis auf die Knochen.«
    »Du hast einen ungewöhnlichen Akzent, Ryan«, sagte Travis. »Du bist kein gebürtiger Ostküstler, oder?«
    »Wir sind viel umgezogen. Mein Vater ist Schriftsteller und sucht die Ruhe zum Arbeiten. Wir ziehen im Schnitt einmal pro Jahr um. Wolfeboro ist meine Heimat, aufgewachsen bin ich aber überall sonst.«
    Miranda goss Orangensaft in eine Karaffe. »Das klingt aufregend«, sagte sie.
    Ryan zuckte mit den Schultern. »Ist schon in Ordnung so.«
    »Was schreibt denn dein Vater?«, erkundigte sich Miranda. »Irgendwas, das man kennt?«
    »Na ja, wenn Sie Bücher über Paläoklimatologie mögen, kennen Sie ihn sicher.«
    »Was ist das denn?«, fragte Miranda und griff nach den großen Trinkgläsern.
    »Es ist die Wissenschaft über langfristigen Klimawandel. Aus der Erforschung der erdgeschichtlichen Vergangenheit werden Aussagen über das zukünftige Klima abgeleitet«, erklärte Ryan.
    »Dein Vater muss ein sehr kluger Mann sein«, sagte Miranda ehrfürchtig.
    Mein Handy vibrierte. Ich hatte eine SMS bekommen. »Connor und Megan steigen gerade aus dem Bus«, teilte ich den anderen mit. »Sie sind in ein paar Minuten da.«
    »Na dann«, sagte Miranda und drückte mir das mit Keksen, Kuchen und Saft voll beladene Tablett in die Hand. »Nimm das mit hoch in dein Zimmer.«
    Am Morgen hatte ich mein Zimmer aufgeräumt, abgestaubt und gesaugt – ich hatte sogar einen Narzissenstrauß aus dem Garten aufgestellt, damit es angenehm roch. Miranda waren meine Bemühungen aufgefallen, und Travis und sie hatten mich beim Frühstück andauernd damit aufgezogen.
    »Voilà« , sagte ich und trat die Tür auf. »Mein Reich. Chez moi .« Das Tablett stellte ich auf meinem Schreibtisch ab. Ryan schlüpfte aus seiner schwarzen Jacke und hängte sie an den Haken an meiner Zimmertür. Dann drehte er sich einmal um die eigene Achse und sah sich lächelnd um. »Hier träumst du also deine Träume«, sagte er, und es klang, als spräche er mit sich selbst.
    Er lehnte sich ans Fenstersims und schaute in den Garten hinunter. Miranda hatte die feuchte Wäsche draußen zum Trocknen aufgehängt. Die Betttücher bauschten sich im Wind und rissen an der Leine wie Segel.
    »Such dir aus, wo du sitzen möchtest«, forderte ich Ryan auf. Neben dem Bett gab es noch einen Schreibtischstuhl, einen Sessel mit Leselampe und einen Sitzsack zur Auswahl. Ziemlich viele Möglichkeiten.
    Ryan wählte das Bett. Er lehnte sich ans Kopfende und machte es sich bequem.
    »Entschuldige das Verhör gerade eben«, sagte ich und setzte mich neben ihn.
    »Die beiden scheinen ganz nett zu sein«, sagte Ryan und griff nach einem gerahmten Foto auf meinem Nachttisch. »Sind das da deine Eltern?«
    Ich nickte. Es war mein Lieblingsfoto von uns dreien. Wir standen im hinteren Teil des Gartens und die Sonne strahlte. Meine Mutter trug eine eckige Sonnenbrille, und ihr helles rotes Haar, das ihr bis zu den Hüften reichte, glänzte wie Kupfer. Mein Vater strahlte, groß und braunhaarig, wie er war, in die Kamera. Ich stand zwischen den beiden und blinzelte in die Sonne, meine kastanienbraune Mähne zu zwei ordentlichen kleinen Zöpfchen gebändigt.
    »Deine Mutter ist eine sehr schöne Frau«, sagte Ryan. »Du siehst aus wie sie.«
    Das war ein zauberhaftes Kompliment. Meine Mutter war wirklich schön, aber in einem täuschte Ryan sich: Wir hatten überhaupt keine Ähnlichkeit miteinander. Und genauso wenig glichen sich unsere Wesensarten. Sie muss so glanzvoll wie ihre Haarfarbe und so selbstbewusst gewesen sein, wie man mit leuchtend rotem Haar durchs Leben gehen muss. Wenn man Miranda Glauben schenken durfte, war meine Mutter so tollkühn wie ich vorsichtig. Im Alter von zwölf Jahren hatte sie einen Fallschirmsprung aus einem Flugzeug gewagt. Und als sie in ihrem Schlauchboot eingeschlafen und fast zwei Kilometer ins offene Meer getrieben war, hatte die Küstenwache sie nur mit Mühe und Not retten können. Ich war mir sicher, dass meine Mutter einer der Teenager war, der mit meinen Freunden von der Kaimauer gesprungen wäre. Das Gewagteste, was meine Mutter jemals getan hatte, war mit sechzehn von der Schule abzugehen, als sie merkte, dass sie mit mir schwanger war, und meinen Vater gegen alle Widerstände ihrer Umwelt zu heiraten.

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