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Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Kontrolle. Es passierte, wenn jemand sie mitfühlend nach ihrem Befinden fragte, wenn jemand Roberts Namen erwähnte, und es passierte auch dann, wenn jemand eine traurige Geschichte erzählte. Gestern hatte sie geweint, als sie am Schwarzen Brett in der Apotheke einen Zettel mit der Aufschrift Graupapagei entflogen gelesen hatte. Der arme Papagei, wie sollte er den Winter überstehen?
    »Es ist wie bei einem Fass«, versuchte sie ihrer Tochter zu erklären. »Ich bin randvoll gefüllt mit Kummer und Tränen, und sobald auch nur ein Tropfen von oben in das Fass fällt oder eine Bewegung die Wasserfläche kräuselt, laufe ich über …«
    Louisa schwieg, wie Amelie hoffte, beschämt.
    »Ich hoffe nicht, dass du dich jemals so elend fühlen musst, wie ich mich im Augenblick fühle«, fuhr Amelie fort. »In so einer Situation auch noch Vorwürfe von der eigenen Tochter zu bekommen …«
    »Tut mir leid, Mama«, sagte Louisa.
    Das will ich hoffen, dachte Amelie und wischte sich die Tränen von der Wange. Gut, dass ihre Wimpern gefärbt waren, das ersparte das lästige Tuschen und überstand auch die hartnäckigsten Tränenausbrüche. Die Wimpern sahen sogar noch dichter und länger aus, wenn sie nass waren. Auch die Sonnenbankbräune war wasserfest und damit besser als jedes Make-up. Amelieuntersuchte im Spiegel den Pigmentflecken am Hals. Sehr unerfreulich! Allerdings war der Name Altersfleck weitaus schlimmer als das Phänomen an sich. Insgesamt gesehen wirkte die Bräune eher erfrischend. Amelie fand, dass sie nie besser ausgesehen hatte, auch wenn die Augenbrauen tatsächlich eine Spur zu dunkel geraten waren.

    »Genug Geld haben wir also«, sagte Amelie, als Louisa ihren langatmigen Vortrag über ihre Finanzlage beendet hatte.
    »Mehr als genug«, bestätigte Louisa. »Du kannst einen großen Teil der Lebensversicherung langfristig anlegen, und zusammen mit dem, was Papa und du bereits angelegt habt, und deiner Rente wirst du von den Zinsen fürstlich leben können.«
    »Gut«, sagte Amelie.
    »Und du hast genug übrig, um ein paar kurzfristige Investitionen zu tätigen«, sagte Louisa eifrig. »Zum Beispiel einen neuen Wagen, ein nettes Geschenk für deine Tochter, ein Designerkleid in Größe achtunddreißig oder einen Gärtner, der dieses Grundstück hier in ein vornehmes Parkgelände verwandelt.«
    »Größe achtunddreißig – schön wär’s ja«, sagte Amelie und griff sich in die immer noch üppigen Hüften. »Heute gibt es nur noch Obst für mich. Das mit dem Auto ist auch eine gute Idee. Ich brauche den dicken Kombi gar nicht. Etwas Kleineres, Schnittiges könnte mir gefallen. Und was den Garten angeht …«
    »Ich wüsste schon einen Gärtner, der noch …ähm … Vakanzen frei hätte«, sagte Louisa schnell. »Wenn du möchtest, könnte ich ihn mal zu einem Gespräch herbitten. Er ist unglaublich preiswert.«
    »Jetzt ist das Grundstück schon so viele Jahre verkommen«, meinte Amelie. »Ich weiß nicht, ob wir es nicht einfach so lassen sollten. Allmählich haben sich die Leute doch daran gewöhnt. Wenn ich an die ganze Arbeit denke, die damit verbunden wäre, das Ruder noch einmal herumzureißen …«
    »Du hättest ja keine Arbeit. Nur eine Investition, die dir überhaupt nicht wehtut«, sagte Louisa und klopfte auf die Papiere, die sie für Amelie durchgearbeitet hatte. »Eine Investition, die sich lohnen würde. Papa und du, ihr habt doch immer davon geredet, Opas Garten mal schön anlegen zu lassen, mit einem Teich und einem Springbrunnen und schönen, romantischen Sitzplätzen.«
    »Ja, schon«, sagte Amelie widerwillig. »Aber ich weiß nicht, ob ich mich jetzt in der Lage fühle, das alles zu organisieren.«
    »Das musst du auch nicht. Ich würde mich um alles kümmern«, sagte Louisa eifrig.
    »Aber du bist bald wieder in Berlin, und dann habe ich hier die Gärtner am Hals …«, wandte Amelie ein. »Nein, Kind, das mit dem Designerkleid war eine bessere Idee. Oder auch ein Geschenk für dich.«
    »Das kannst du dir noch zusätzlich leisten«, beteuerte Louisa. »Außerdem … ich werde noch eine Weile hierbleiben, wenn du nichts dagegen hast. Im Augenblick fühle ich mich nicht in der Lage, mein Studium wiederaufzunehmen. Ich könnte also die Sache mit dem Gärtner managen, und du brauchst keinen Finger zu rühren.«
    »Was ist denn mit deinem Freund in Berlin? Der wirddich doch sicher vermissen. Schätzchen, du solltest zu ihm fahren, hier wirst du doch nur jeden Tag an deinen Vater

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