Eidernebel
Wand. Meine Herren, noch gibt es so etwas wie eine freie Presse.«
»Aber eine seriöse Presse sollte mit offenen Karten spielen«, knurrt Swensen mit gequält ruhiger Stimme. »Ich war Frau Teske im guten Glauben bei ihrer – harmlos ausgedrückt – unverantwortlichen Aktion auch noch behilflich, nur weil Sie mir den wahren Hintergrund ihrer Geschichte verschwiegen hat.«
»Im Gegenzug haben Sie einen großen Artikel über den geplanten Gedenkgottesdienst bekommen. Eine Hand wäscht die andere, oder?«, kontert Maria Teske.
»Genau!«, ergänzt Bigdowski. »Wir machen alle nur unsere Arbeit. Wir werden uns doch nicht wegen dieser Lappalien in die Haare kriegen?«
»Hier prallen zwei verschiedene Wirklichkeitsauffassungen aufeinander, Herr Chefredakteur«, hakt Swensen nach. »Wir ermitteln seit Monaten in mehreren Mordfällen. Es sollte auch in Ihrem Interesse sein, dass uns dabei niemand behindert.«
»Sie sprechen mir aus der Seele, Herr Hauptkommissar. Darf ich Sie jetzt hinausbegleiten, meine Herren, wir müssen auch morgen eine Zeitung auf den Markt bringen.«
»Wir finden selbst hinaus, Theodor«, knurrt der Staatsanwalt. »Aber denk daran, wir können auch zurückkommen, dann aber mit einem von mir unterzeichneten Durchsuchungsbeschluss. Moin, Moin!«
*
Kurz vor 12 Uhr betritt er das Wohnhaus. Es riecht penetrant nach Putzmitteln und das blitzblanke Treppenhaus ist menschenleer. Auf seine Erfahrung kann er sich verlassen. Um diese Zeit läuft einem in einem Mietshaus nur sehr selten jemand über den Weg, denn die meisten Mieter sind sowieso bei der Arbeit. Er nimmt wie immer die Treppe, niemals den Fahrstuhl, um in den dritten Stock zu kommen. Wenn jemand in den engen Kabinen zusteigt, hat die Person zu lange die Möglichkeit, sich sein Gesicht einzuprägen. Im ersten Stock sickert Bratenduft durch eine Wohnungstür und während seine Nase den leckeren Geruch einzieht, hört er über sich ein schwaches Knarren.
Mist, was ist heute nur los?
Er stoppt mitten im Schritt, steht zögernd auf der Treppe und hält, um besser horchen zu können, den Atem an. Zwei Personen tuscheln miteinander und kommen die Treppe herab.
Da musst du jetzt durch!
Er lässt den kleinen Rucksack locker am Arm baumeln und geht lässig weiter nach oben. Zwei kichernde junge Mädchen stürmen vorbei, ohne ihn weiter zu beachten. Ihre schrillen Stimmen hallen noch von ganz unten herauf.
Es gibt vier Wohnungstüren im dritten Stock. Zum Glück hat keine einen Türspion. Er geht einmal reihum und horcht ausgiebig an jeder einzelnen Tür, hört aber nicht das Geringste. Das Türschild von Maria Teske ist aus Messing mit schwarzen Buchstaben. Darunter klebt ein Pappschild, auf dem mit Filzer geschrieben steht: DIN-A4-Umschläge bitte nicht knicken. Er setzt den Kopfhörer für das Hochleistungsmikrofon auf, nimmt den Sputnik aus dem Rucksack, gibt das übliche Tröpfchen Öl auf die Schlüsselleiste und führt sie langsam in das Profilzylinderschloss ein. Vorsichtig schiebt er die Drähte in die Kerben des Riegels. Eine Drehung, das Schloss gibt ohne Widerstand nach. Er tritt hastig in den Flur, schließt die Tür leise hinter sich und legt das Ohr ans Holz. In dieser lauernden Stellung verharrt er eine Weile, bis er sich sicher fühlt, dass auf dem Flur alles ruhig bleibt.
Danach fällt die Anspannung von ihm ab. Er wirft einen kurzen Blick in alle Räume, bis er das Arbeitszimmer mit dem Computer gefunden hat. Das schnurlose Siemenstelefon ist leicht aufzuschrauben. Er fummelt die Wanze hinein. Die hat ein eigenes Mikrofon und arbeitet erst, wenn man das Mobilteil aus der Ladestation nimmt.
Das war ein Kinderspiel!
Dagegen war der Einbau der gleichen Wanze an ihrem Arbeitsplatz, den er vorige Nacht bewältigt hat, ein wesentlich höheres Risiko. Wie leicht hätte plötzlich ein ungebetener Mitarbeiter in den Redaktionsräumen auftauchen können.
In der Mittagszeit wird die Zeitungsfrau nicht unerwartet auf der Matte stehen, das hat er im Vorfeld gecheckt!
Wilhelm Rösener holt einen Stuhl aus der Küche und stellt ihn unter den Deckenstrahler. Während er auf die Sitzfläche steigt und routiniert die Schrauben herausdreht, erinnert er sich an die ungewöhnliche Begegnung mit Peter Drenkhahn, die diesem Auftrag vorangegangen war.
Mittlerweile hatte sich der Stuhlmannbrunnen mit seinen Wasser speienden Kupferblech-Zentauren in Hamburg Altona zu einem kontinuierlichen Treffpunkt entwickelt. Diesmal hatte der Mann
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