Eifel-Connection
nach einem Lager aus, oder? Was ist, wenn es ein illegales Lager ist?«
»Was, zum Teufel, ist denn ein illegales Lager?«
»Das weiß ich nicht genau«, antwortete er. »Wahrscheinlich ist es eine Krankheit der EU. Jedenfalls hört es sich krank an. Und auf einen Eifeler Bauernhof passt das Ganze ja nun gar nicht.«
»Ich habe mal an ein Hochregal bei IKEA gedacht«, erklärte ich. »Aber jetzt, wo du mich erneut fragst, bekomme ich ein weiteres Bild. Erinnert euch bitte an die Läden der großen Ketten, also EDEKA, ALDI, EXTRA, NORMA und so weiter. Die bauen vor Weihnachten und vor Sylvester in ihren Läden Türme auf. Aus weißen Pappkartons. In denen steht Sekt, jede Menge Sekt, zwei, drei Meter hoch Sekt. Oder Angebote an hochwertigen Schnäpsen, also Rum oder Whisky oder Wodka. Diese Flaschen stehen alle in solchen Kartons. Die sind weiß, haben irgendeinen Aufdruck des Herstellers. So etwas habe ich gesehen, ziemlich eindeutig. Was macht ein Bauer mit solchem Zeug, wie kommt so was auf einen Bauernhof?«
»Genau das wollen wir ja wissen«, entgegnete er. »Hast du Schlösser an den Türen und an den Toren gesehen?«
»Schlösser nur an den eingebauten Türen, Sicherheitsschlösser. Die Tore liefen über digitale Einheiten, also elektronisch. Steuerungssysteme der modernen Art. Die Tore glitten zur Seite, alle beide. Und zwar, ehe der Bauer in der Halle war. Also eine Fernsteuerung. Ziemlich geräuschlos. Mir fiel auch auf, dass die Halle verdammt teuer gewesen sein muss, also viel teurer als eine der Hallen, die man gewöhnlich auf einem Bauernhof findet. Und sie hat auf den Längsseiten richtige Fertigteile aus Beton, die ineinander einrasten. Die Tore sahen mir nach geschwärztem Aluminium aus, also die Luxusausgabe.«
»Als du um die Ecke in die Halle geguckt hast, was kam dir dabei in den Sinn? Wie wirkte das? Was war das für ein Anblick?«
»Ganz und gar unglaubwürdig, das Ganze. Jetzt weiß ich, auf was du aus bist. Es wirkte auf mich sehr fremd, es passte absolut nicht auf einen Bauernhof. Wir wissen alle, wie so Höfe aussehen. Da gibt es die Zugmaschinen, die einzelnen Ackergeräte, das Durcheinander aller möglichen Werkzeuge, die überall abgestellten Maschinen. Und hier und da ein Kuhfladen, ein herumliegender Hammer, ein altes Fahrrad. Die typische Ecke, in der alter Krempel liegt, von kaputten Plastikplanen bis zu undefinierbaren Holzteilen. Auf einem Hof wird gelebt, auf diesem Hof nicht. Und dann die Halle: Ein klinisch sauberer Raum, riesengroß mit einer Betonfläche, die absolut sauber ist, mit Regalen, die eine perfekte Ordnung zu haben scheinen. Das Ganze unter Flutlicht. An alles Mögliche habe ich denken müssen, aber das da habe ich nur bestaunt, das war unglaublich.«
Er hatte ein verhärtetes Gesicht, er streckte den Zeigefinger in die Höhe und sah mich geradezu finster an. »Du gehst jedenfalls nicht mehr auf diesen Hof. Nicht einmal in seine Nähe. Ich käme ungern zu deiner Beerdigung.« Dann griff er in die Jackentasche, holte ein Handy heraus und erklärte: »Ich muss mal telefonieren.«
»Hast du schon was gegessen?«, fragte Emma.
»Ja, ein Cowboy-Frühstück.«
»Das ist ja ekelhaft!«
»Mir fehlt eben die Familie.«
»Ist das dein Ernst? Nimm Nina auf, die ist im Augenblick heimatlos.«
»Ja, und ihr Kind nennt mich Opa. Im Übrigen würde ich erst einmal gern die Gabi verdauen. Auf was ist Rodenstock denn aus?«
»Das weiß er selbst noch nicht.«
Rodenstock löste sich aus dem Halbdämmer über seinem Schreibtisch und teilte mit: »Da kommt gleich ein Mann. Dauert eine Weile, er kommt aus Trier.«
»Mit wem hast du denn telefoniert?«, fragte ich.
»Mit dem Zoll«, antwortete er. »Alte Bekannte aus einem anderen Leben.«
»Und was macht dein neues Leben, das mit den Seelenklempnern?«, fragte ich weiter.
»Sie fassen zusammen, sie sortieren, sie sagen mir, was ich gemacht habe, was nicht, was ich übersah, wie ich mit mir umgegangen bin, wie ich mit Emma umging, mit dir auch. Ich habe ein ziemliches Desaster angerichtet, aber ich bin der Meinung, dass ich das schaffe. So nach und nach. Im Augenblick beschäftige ich mich sehr viel mit meinem Vater. Ich habe immer gedacht: Er ist mein Vater, er hat immer nur mein Bestes gewollt, was soll schon sein? Dann musste ich feststellen: Das war durchaus nicht so glorreich, wie ich immer gedacht habe. Das war sogar im Gegenteil manchmal eine richtige Quälerei, das Leben mit meinem Vater. Und das habe ich
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