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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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kümmern; sie war nach ihrer Krankheit noch immer nicht recht bei Kräften, und es wäre leichtsinnig gewesen, sie der Kälte eines unbewohnten Hauses auszusetzen. Zwei Wochen lang sah niemand in The Willows nach dem Rechten, und diese Vorstellung quälte Mrs Tracy, denn sie fürchtete, man könnte sie durch einen anderen Verwalter ersetzen. Laura Lou sagte:«Mutter, es ist doch zu albern, dass wir Vanny nicht hinschicken», und Vance witzelte:«Selbst wenn ich die Bücher gestohlen hätte, wäre es jetzt zu riskant, es noch einmal zu probieren.»Mrs Tracy wandte das Gesicht ab und sagte:«Die Schlüssel liegen unter dem Nadelkissen in der Schublade oben rechts …»
    Und nun stand er hier.
    Laura Lou hatte ihm eingeschärft, nicht zu vergessen, weswegen er da war. Er sollte Fenster und Läden öffnen, die Räume gründlich lüften und sich vergewissern, dass das Haus seit Mrs Tracys letztem Besuch keinen Schaden genommen hatte. Die beiden Frauen hüteten sich wohlweislich, ihm noch weitere Pflichten aufzuerlegen; diesmal würde eben nicht abgestaubt.« Sag ihm bloß, er soll sich ordentlich umsehen, dass der Hausmeister merkt, dass jemand ein Auge auf ihn hat, und dann soll er gleich wieder herkommen», lautete Mrs Tracys ausdrücklicher Befehl an ihre Tochter, die ihn so weitergab:«Liebling, du musst nur einmal durchs Haus gehen und ihr dann sagen, dass alles in Ordnung ist.»
    Vance beschloss, mit einer Generalinspektion zu beginnen. Er ging von Zimmer zu Zimmer, ließ Licht und Wärme in das melancholische Halbdunkel, weckte die Geister in den alten Spiegeln und sah zu, wie das lebendige Gold der Sonne das tote Gold der Bilderrahmen und Kandelaber zum Leuchten brachte. Unter den hohen Zimmerdecken der Schlafräume mit ihren geschnitzten Bettgestellen und berüschten Toilettentischen hatte er hier und da ein flüchtiges Gefühl von Leben, als wäre soeben jemand vor ihm durch die Tür gehuscht, als glitten Sandalen leise über geblümte Teppiche, als hätte sein Erscheinen eine Versammlung zählebiger Erinnerungen gesprengt. In Miss Lorburns Ankleidezimmer blieb er vor dem reich verzierten Toilettengeschirr mit dem Porzellanschwan im Binsennest stehen. Lorry Spears Bemerkung fiel ihm ein:«Sie träumte von Lohengrin und sah ein Baby zwischen den Rohrkolben.»Komisch – Lorry Spear hatte er seit jenem Tag nicht mehr gesehen, der Bursche schuldete ihm immerhin zehn Dollar. Was aus dem wohl geworden war … In dem kreisrunden Boudoir mit den blauseidenen Polstersesseln und den fröhlichen Lithographien mit tanzenden Bauern bei der Traubenernte blieb er wieder stehen und versuchte, sich die Dame in ihrer Jugend vorzustellen, als die Zimmer hell und unverstaubt waren und sie kameliengeschmückte Rüschenkleider trug …«Und am Ende hat sie einsam ihren Coleridge gelesen …»
    Er setzte sich in einen blauen Sessel und schloss die Augen. Was, wenn er sie öffnete und die junge Elinor sah – blass und erwartungsvoll, die Wangen von dunklen Flechten umrahmt? Während er so dasaß, schob sich Halo Tarrants Gesicht an die Stelle des anderen. Schlank und mit gelöstem dunklem Haar, in fließendem Faltenwurf und Sandalen, lehnte sie am Fenster und hielt durch die Glyzinienfransen Ausschau nach etwas, nach jemandem … Vance stand auf und wischte die Vision beiseite. Waren wir nicht alle wie Elinor Lorburn, hielten Ausschau und warteten auf etwas, was niemals kam? Aber da waren die Bücher – die Bücher, die ihr schließlich genügt hatten! Er ging weiter, als führte sie ihn an der Hand, ihrer schüchternen, unwiderstehlichen, unberührten Hand, ging durch die Zimmer, Flure entlang, Treppen hinunter und über das Intarsienparkett der Salons in die Bibliothek. Er reckte sich aus dem Fenster, um die Läden zu öffnen, und in diesem Augenblick entglitt ihm Miss Lorburns Hand, er wusste, wenn er sich umdrehte, stünde sie nicht mehr jung und sehnsüchtig neben ihm, sondern hätte sich in ihren Rahmen über dem Kaminsims zurückgezogen, wäre wieder die gereifte, schicksalsergebene Frau mit Kreidehöhungen auf Stirn und Haubenzipfeln, die Frau, die einsam Coleridge las …
    Eine ordnende Hand hatte alle Spuren seines früheren Besuchs beseitigt. Die Bücher, die er herausgenommen hatte, standen wieder an ihrem Platz, die Möbel waren zurechtgerückt. Doch auf der grünen Samttischdecke mit den Fransen lag noch der Coleridge, aufgeschlagen bei«Kubla Khan», darauf die Goldrandbrille. Ein Zeichen von Halos Pietät …
    In den

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