Ein amerikanischer Thriller
Guatemala
entführt. Er behauptet, seinen Häschern durch einen
kühnen Handstreich entkommen zu sein und sich in
»diversen guatemaltekischen Rattenlöchern« aufge-
halten zu haben, in Begleitung eines befreundeten
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Rechtsanwalts, der verzweifelt versuchte, ihm eine
legale Rückkehr zu ermöglichen, an den heimischen
Herd und zu seinem (angeblich) dreihundert Millionen
Dollar Jahresgewinn abwerfenden Gangsterimperium.
Währenddessen ging Robert F. Kennedy verschiede-
nen anonymen Hinweisen nach, wonach sich der (an-
gebliche) Gangsterboss an unterschiedlichen Orten in
Louisiana aufhalten sollte.
Die Hinweise erwiesen sich als falsch. Kennedy
entdeckte, daß sich Marcello seit seiner »waghalsi-
gen Flucht« unter dem Schutz der guatemaltekischen
Regierung in Guatemala versteckt hielt.
Kennedy übte diplomatischen Druck aus. Der Pre-
mierminister von Guatemala gab nach und befahl der
Staatspolizei, nach Marcello zu fahnden. Der (angeb-
liche) Mafia-Sultan und sein Rechtsanwalt wurden in
einer Mietwohnung bei Guatemala City aufgespürt
und umgehend nach El Salvador deportiert.
Sie gingen von Dorf zu Dorf, aßen in schmierigen
Dorfkneipen und schliefen in Lehmhütten. Der Rechts-
anwalt versuchte, mit einem Marcello-Untergebenen
Verbindung aufzunehmen, einem Piloten, der sie in
einen behaglicheren Unterschlupf hätte fliegen kön-
nen. Der Mann war nicht zu erreichen, und Marcello
und sein Anwalt, die weitere Abschiebemaßnahmen
befürchteten, gingen zu Fuß weiter.
Robert F. Kennedy und seine Juristen im Justizmi-
nisterium fertigten die entsprechenden Anträge aus.
Marcellos Rechtsanwalt schrieb Gegenanträge und
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gab sie telefonisch dem Anwaltsteam des (angebli-
chen) Mafia-Maharadschas in New York City durch.
Marcellos Pilotenfreund tauchte unvermutet auf und
flog (der vertraulichen Quelle des Berichterstatters
zufolge) den ganzen Weg von El Salvador nach Mata-
moros, Mexiko, knapp über Baumhöhe, um mit seinen
beiden heißen Passagieren dem Radar auszuweichen.
Marcello und sein Anwaltsfreund passierten die
Grenze zu Fuß. Der (angebliche) Mafia-Pascha stellte
sich in McAllen, Texas, dem Internierungszentrum der
US-Grenzpolizei, in der sicheren Überzeugung, daß
das aus drei Richtern zusammengesetzte Appellati-
onsgericht ihm gestatten würde, gegen Kaution frei
zu kommen und in Amerika zu bleiben.
Sein Vertrauen erwies sich als begründet. Marcello
verließ den Gerichtssaal als freier Mann – auch wenn
die Drohung der Staatenlosigkeit noch nicht von ihm
genommen ist.
Ein Mitarbeiter des Justizministeriums teilte dem
Berichterstatter mit, daß die Entscheidung über den
Ausweisungsbescheid gegen Marcello sich über Jahre
hinziehen kann. Auf die Frage, wie ein möglicher Kom-
promiß aussehen könne, ließ uns Justizminister Ken-
nedy wissen: »Eine Verständigung ist möglich, sofern
Marcello bereit ist, seinen US-Besitz aufzugeben und
sich nach Rußland oder Mosambik zurückzuziehen.«
Carlos Marcellos seltsame Odyssee dauert an …
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DOKUMENTENEINSCHUB: 30. 5. 61. Persönliches
Schreiben: Kemper Boyd an John Stanton.
John,
danke für Räucherlachs und Gin. Sie waren dem Spital-
fraß um Längen überlegen und haben mir das Leben
einigermaßen verschönt.
Seit dem 12. bin ich wieder in Anniston. Kleiner
Bruder scheint nicht viel von Genesungsurlaub zu
halten und läßt mich daher Aktionen von Rassen-
trennungsgegnern beschützen und Material für seine
Kuba-Expertengruppe sammeln. (Daß ich ohne poli-
zeiliche Intervention ins Spital kam, haben wir einzig
und alleine N. Chasco zu verdanken. Die Kunst der
Bestechung zweisprachiger Ärzte beherrscht er wie
kein anderer.)
Der Untersuchungsgruppen-Auftrag macht mir Sor-
gen. Ich war von Anfang an für die Sache tätig. Eine
unbedachte Äußerung Kleinem Bruder gegenüber, und
ich habe es mir mit beiden verdorben, bin meine An-
waltslizenz los und kann jede weitere polizeiliche und
nachrichtendienstliche Tätigkeit vergessen. Entspre-
chend habe ich absichtlich Exil-Kubaner befragt, mit
denen ich nie zu tun hatte und denen unbekannt ist,
daß ich heimlich für die CIA tätig war. Ich redigiere
alle Erklärungen, um die Invasionsplanung der CIA
in günstigem Licht erscheinen zu lassen. Großer Bru-
der ist, wie Sie wissen, ein entschiedener CIA-Gegner
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geworden. Kleiner Bruder teilt seinen Eifer, legt aber
dennoch echte Begeisterung für die Sache an den Tag.
Das
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