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Ein amerikanischer Thriller

Ein amerikanischer Thriller

Titel: Ein amerikanischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Guatemala
    entführt. Er behauptet, seinen Häschern durch einen
    kühnen Handstreich entkommen zu sein und sich in
    »diversen guatemaltekischen Rattenlöchern« aufge-
    halten zu haben, in Begleitung eines befreundeten
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    Rechtsanwalts, der verzweifelt versuchte, ihm eine
    legale Rückkehr zu ermöglichen, an den heimischen
    Herd und zu seinem (angeblich) dreihundert Millionen
    Dollar Jahresgewinn abwerfenden Gangsterimperium.
    Währenddessen ging Robert F. Kennedy verschiede-
    nen anonymen Hinweisen nach, wonach sich der (an-
    gebliche) Gangsterboss an unterschiedlichen Orten in
    Louisiana aufhalten sollte.
    Die Hinweise erwiesen sich als falsch. Kennedy
    entdeckte, daß sich Marcello seit seiner »waghalsi-
    gen Flucht« unter dem Schutz der guatemaltekischen
    Regierung in Guatemala versteckt hielt.
    Kennedy übte diplomatischen Druck aus. Der Pre-
    mierminister von Guatemala gab nach und befahl der
    Staatspolizei, nach Marcello zu fahnden. Der (angeb-
    liche) Mafia-Sultan und sein Rechtsanwalt wurden in
    einer Mietwohnung bei Guatemala City aufgespürt
    und umgehend nach El Salvador deportiert.
    Sie gingen von Dorf zu Dorf, aßen in schmierigen
    Dorfkneipen und schliefen in Lehmhütten. Der Rechts-
    anwalt versuchte, mit einem Marcello-Untergebenen
    Verbindung aufzunehmen, einem Piloten, der sie in
    einen behaglicheren Unterschlupf hätte fliegen kön-
    nen. Der Mann war nicht zu erreichen, und Marcello
    und sein Anwalt, die weitere Abschiebemaßnahmen
    befürchteten, gingen zu Fuß weiter.
    Robert F. Kennedy und seine Juristen im Justizmi-
    nisterium fertigten die entsprechenden Anträge aus.
    Marcellos Rechtsanwalt schrieb Gegenanträge und
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    gab sie telefonisch dem Anwaltsteam des (angebli-
    chen) Mafia-Maharadschas in New York City durch.
    Marcellos Pilotenfreund tauchte unvermutet auf und
    flog (der vertraulichen Quelle des Berichterstatters
    zufolge) den ganzen Weg von El Salvador nach Mata-
    moros, Mexiko, knapp über Baumhöhe, um mit seinen
    beiden heißen Passagieren dem Radar auszuweichen.
    Marcello und sein Anwaltsfreund passierten die
    Grenze zu Fuß. Der (angebliche) Mafia-Pascha stellte
    sich in McAllen, Texas, dem Internierungszentrum der
    US-Grenzpolizei, in der sicheren Überzeugung, daß
    das aus drei Richtern zusammengesetzte Appellati-
    onsgericht ihm gestatten würde, gegen Kaution frei
    zu kommen und in Amerika zu bleiben.
    Sein Vertrauen erwies sich als begründet. Marcello
    verließ den Gerichtssaal als freier Mann – auch wenn
    die Drohung der Staatenlosigkeit noch nicht von ihm
    genommen ist.
    Ein Mitarbeiter des Justizministeriums teilte dem
    Berichterstatter mit, daß die Entscheidung über den
    Ausweisungsbescheid gegen Marcello sich über Jahre
    hinziehen kann. Auf die Frage, wie ein möglicher Kom-
    promiß aussehen könne, ließ uns Justizminister Ken-
    nedy wissen: »Eine Verständigung ist möglich, sofern
    Marcello bereit ist, seinen US-Besitz aufzugeben und
    sich nach Rußland oder Mosambik zurückzuziehen.«
    Carlos Marcellos seltsame Odyssee dauert an …
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    DOKUMENTENEINSCHUB: 30. 5. 61. Persönliches
    Schreiben: Kemper Boyd an John Stanton.
    John,
    danke für Räucherlachs und Gin. Sie waren dem Spital-
    fraß um Längen überlegen und haben mir das Leben
    einigermaßen verschönt.
    Seit dem 12. bin ich wieder in Anniston. Kleiner
    Bruder scheint nicht viel von Genesungsurlaub zu
    halten und läßt mich daher Aktionen von Rassen-
    trennungsgegnern beschützen und Material für seine
    Kuba-Expertengruppe sammeln. (Daß ich ohne poli-
    zeiliche Intervention ins Spital kam, haben wir einzig
    und alleine N. Chasco zu verdanken. Die Kunst der
    Bestechung zweisprachiger Ärzte beherrscht er wie
    kein anderer.)
    Der Untersuchungsgruppen-Auftrag macht mir Sor-
    gen. Ich war von Anfang an für die Sache tätig. Eine
    unbedachte Äußerung Kleinem Bruder gegenüber, und
    ich habe es mir mit beiden verdorben, bin meine An-
    waltslizenz los und kann jede weitere polizeiliche und
    nachrichtendienstliche Tätigkeit vergessen. Entspre-
    chend habe ich absichtlich Exil-Kubaner befragt, mit
    denen ich nie zu tun hatte und denen unbekannt ist,
    daß ich heimlich für die CIA tätig war. Ich redigiere
    alle Erklärungen, um die Invasionsplanung der CIA
    in günstigem Licht erscheinen zu lassen. Großer Bru-
    der ist, wie Sie wissen, ein entschiedener CIA-Gegner
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    geworden. Kleiner Bruder teilt seinen Eifer, legt aber
    dennoch echte Begeisterung für die Sache an den Tag.
    Das

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