Ein Ballnachtstraum
meinte, eine Schere oder ein Messer zwischen den steifen Falten zu erkennen.
Er lachte in sich hinein. „Was ist mit dem grässlichen Kleid passiert?“
Sofort merkte er, wie sie sich versteifte. Im selben Moment ermahnte er sich, dass ein Gentleman sich niemals über das Erscheinungsbild einer Dame lustig machen sollte, nicht einmal im Scherz, wunderte sich allerdings über ihre Reaktion auf seine unbedachte Bemerkung.
„Kann ich dir das morgen sagen?“, flüsterte sie und schlug die Augen nieder.
Er stutzte, und seine Heiterkeit verflog. Waren das etwa Tränen in ihren schönen Augen? „Du lieber Himmel, Eloise“, rief er erschrocken. „Weine bitte nicht. Ich kaufe dir tausend schöne Kleider. Ich wollte dich nicht kränken. Und natürlich sollst du mir alles über das Kleid erzählen, wenn es dir wichtig ist.“
Offenbar hatte er die richtigen Worte gefunden, denn sie ließ sich lächelnd in die Kissen zurücksinken, und er nahm sie fest in die Arme. Vielleicht war sie nur ein wenig rührselig nach dieser ersten gemeinsamen Nacht, in der sie ihre Unschuld an einen Mann verloren hatte, der dieses kostbare Geschenk nicht verdiente. Er schöpfte keinen Verdacht, dass mehr hinter ihrem Anflug von Wehmut stecken könnte, als er vermutete. Und er wäre nie auf die Idee gekommen, sie könne ein Geheimnis vor ihm verbergen, hätten seine gottverdammten Brüder sich nicht eingemischt.
21. KAPITEL
Lord Devon Boscastle und sein Schwager Dominic waren dem Kerl in eine zwielichtige Spelunke in der Nähe von Covent Garden gefolgt. Der feuchte Nebel über der Gasse verstärkte die üblen Gerüche nach schalem Bier, Fischabfällen und Exkrementen im Rinnstein.
Devon schaute sich angewidert in der schwach beleuchteten Schankstube um und fürchtete beinahe, er könne sich nur durch Einatmen der stickigen Luft mit einer tödlichen Krankheit anstecken. Ein sturzbetrunkener Soldat schlief schnarchend unter einem Tisch seinen Rausch aus.
Devon spähte durch den Qualm, der sich in dichten Schwaden im ganzen Raum ausgebreitet hatte. In einer Ecke saß ein verwahrloster hagerer Kerl in einem schäbigen braunen Wollmantel, rief nach der Bedienung, die ihn geflissentlich übersah.
„Aha“, murmelte Devon, „da drüben sitzt unser Mann.“
Nach zwei Runden Bier löste sich die Zunge des Fremden. Nach dem vierten Bier hätte Ralph die Seele seiner Mutter verkauft und nackt auf ihrem Grab getanzt.
„Es geht mir nicht um Geld, verstehen Sie mich nicht falsch“, erklärte er und wischte sich die Nase am Ärmel ab. „Es geht mir ums Prinzip.“
Devon verzog die Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln. „Ach was, wer braucht schon Prinzipien?“, murmelte er und füllte Ralphs Humpen bis zum Rand.
Dominic verzog das Gesicht. „Noch dazu, wenn es sich um Frauen handelt. Du warst also mit dieser jungen Desdemona verlobt.“
Ralph nahm einen tiefen Schluck und rülpste. „Desde… wer? Nein, ihr Name war Ellie. Eloise Jenkins. Und dann tat sie sich mit Mildred zusammen. Die beiden haben mich in meiner Männlichkeit gekränkt. Die Hexen haben sich über mich lustig gemacht, und Mildred war die Schlimmste.“
Devon zog eine dunkle Braue hoch. „Mildred?“
„Ich verstehe nicht ganz“, sagte Dominic und lehnte sich mit einem trägen Lächeln zurück. „Du warst mit Eloise und dieser Mildred zur gleichen Zeit verlobt und fühlst dich von beiden beleidigt?“
„Genau.“ Ralph bekam rote Flecken im Gesicht vor Zorn. „Und wenn ihr mir nicht glaubt, dass meine männliche Ehre zutiefst verletzt wurde, so seid ihr noch nie mit nacktem Arsch auf einen Karren gebunden worden, den neugierigen Blicken des ganzen Dorfes ausgesetzt.“
„Diese Erfahrung ist mir allerdings bislang erspart geblieben“, entgegnete Devon und mied Dominics sarkastischen Blick. „Aber was willst du eigentlich von Eloise nach all den Jahren?“
Ralph spuckte auf den Boden. Dominic verzog angewidert das Gesicht.
„Immerhin schuldet sie mir etwas für meinen Verlust.“
Wäre Ralph nicht so betrunken gewesen, hätte er vielleicht das gefährliche Funkeln in Devons Augen bemerkt. „Was schuldet sie dir denn?“
„Ich weiß auch nicht … keine Ahnung“, brummte Ralph, und sein verschwommener Blick richtete sich auf einen anderen Tisch, wo ein lautstarker Streit im Gange war. „Irgendwie tut es mir fast leid, dass ich Eloise nicht geheiratet habe, aber für meinen Geschmack ist sie mittlerweile zu herrschsüchtig geworden. Aber Millie,
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