Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
Sitzecke vorbei und dann schließlich die Treppe zur Toilette hinunter.
Ich ging in eine Kabine, um etwas von dem Bacardi O loszuwerden, den ich den ganzen Abend getrunken hatte, doch gerade, als ich mich erleichtert hinhockte und nach unten blickte, sah ich zwei Paar Füße in der Kabine neben mir. Ein paar glänzende schwarze Halbschuhe, die unmöglich einer Frau gehören konnten – zumindest keiner, die
ich
kannte –, und ein weiteres glänzendes Paar mit zehn Zentimeter hohen Absätzen, die nur einer bestimmten Frau gehören konnten.
„Michelle!“ Ich zog erleichtert mein Höschen hoch und meinen Rock herunter. Ohne eine Antwort abzuwarten, klappte ich den Toilettendeckel zu und kletterte ein wenig unbeholfen mit meinen hohen Absätzen auf die Schüssel.
Als ich in die Kabine schaute, sah ich José, der sein Gesicht tief in dem Dekolleté vergraben hatte, das Michelle den ganzen Abend über so stolz präsentiert hatte.
Michelle selbst hatte den Kopf an die Wand gelehnt und riss die halb geschlossenen Augen auf, als sie mich zu ihr hinunterstarren sah.
„Hey, Angie“, sagte sie kichernd. „Was machst du denn da oben?“
„Ist doch egal. Aber was verdammt noch mal machst du da unten?“
José blickte ein wenig verärgert auf. „Das hier ist eine private Party.“
„Nun, die Party ist vorbei.“ Ich hüpfte nicht sonderlich anmutig von der Schüssel und lief aus meiner Kabine.
„Komm schon, Michelle, mach auf.“ Ich hämmerte gegen die Tür ihres kleinen Liebesnestes.
Die Tür flog auf und Michelle starrte mich mit glasigen Augen und einem spitzbübischen Lächeln an, bis sie fröhlich lallte: „Jede Party braucht einen Spielverderber, deswegen haben wir dich eingeladen, Spielverderber, Spielverderber …“
Ich zerrte an ihrem Arm, um sie aus Josés Griff zu befreien. Normalerweise war ich nicht so aggressiv, doch sie war ganz offensichtlich betrunken und hätte die Toilettenkabine wohl kaum ohne Gewaltanwendung verlassen. Ich hob ihre Hand in die Höhe und wedelte damit vor Josés Gesicht herum. „Siehst du nicht, dass sie verheiratet ist?“
Er warf einen Blick auf den Diamanten. „Na und, das ist doch kein Ding.“
„Ding!“ rief Michelle und stieß ihre Hüfte nach vorne. „José hat ein Ding! Frankie auch“, fügte sie ein wenig traurig hinzu. „Aber seines ist so winzig.“
Ach du meine Güte. „Komm jetzt!“ Ich zerrte sie aus der Toilette. Sie winkte José fröhlich zu. „Wiedersehen, Javier“, rief sie, als ich sie durch die Tür schob.
Ich trug sie halb die Treppen hinauf. Sie lehnte sich schwer an mich und stammelte: „Früher warst du so lustig, Angie. Was ist nur passiert? Weißt du nicht mehr, wie viel Spaß wir zusammen hatten? Ich und Eddie und du und Vincent …“ Sie seufzte. „Wo sind diese glücklichen Zeiten nur geblieben?“
„Sie sind vorbei“, sagte ich. Und zwar zum Glück, dachte ich, als mir wieder einfiel, was für Sorgen ich mir immer darüber gemacht hatte, ob Vincent mich wirklich liebte, ob wir zusammen alt und grau werden würden. Es war alles so dumm gewesen. Ja, diese Tage waren vorbei. Gott sei Dank.
Michelle konnte wie durch einen Zauber wieder alleine gehen, als wir oben an der Treppe angekommen waren, aber da ich befürchtete, dass sie abhauen würde, schnappte ich ihre Hand und führte sie zurück zur Bar, wo Grace und Claudia noch immer ihre Getränke schlürften.
„Du hast sie gefunden.“ Grace musterte Michelle, die sich gegen die Bar lehnte, ihren mit Haarspray besprühten Kopf auf die Theke legte und die Augen schloss.
„Ist wohl auch besser so.“ Claudia trank noch einen Schluck.
„Ich bringe sie nach Hause“, sagte ich.
„Den ganzen Weg nach Brooklyn?“
„Nein, ich nehme sie mit in meine Wohnung.“ Obwohl mich die Vorstellung nervte, die ganze Nacht auf Michelle aufpassen zu müssen, damit sie nicht an ihrem Erbrochenen erstickte. Igitt.
„Okay.“ Grace warf mir einen Blick zu, der wohl bedeutete: Ich hab’s dir doch gesagt. „Schade, dass du nicht bleiben kannst. Dabei amüsieren wir uns doch so gut. Ich meine, es ist schon so lange her, dass wir zusammen ausgegangen sind.“ Ich war froh, dass ihr das wenigsten aufgefallen war. Ich fühlte mich auch gleich ein wenig besser, als ich sie zum Abschied umarmte. Selbst Claudia gewährte mir eine Umarmung und einen angedeuteten Kuss, wobei ich nicht sagen kann, ob das an unserem Frauenabend lag oder an den drei
Cosmopolitan
, die sie getrunken hatte.
Sobald
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