Ein Braeutigam und zwei Braeute
Zucker«, brachte er ein Pfund Mehl.
»Was tun Sie da? Ich wollte Zucker!«
»Ganz recht, Zucker. Einen Augenblick.«
Und er kam mit einer Tüte Salz wieder.
Er hätte seinen Laden längst zumachen müssen, doch Frejdele war das genaue Gegenteil ihres Mannes. Sie war untersetzt, mollig, rotwangig und hatte ein reizendes Lächeln. Sie paßte bei den Bestellungen auf, brachte dem Kunden rasch das Gewünschte und hatte ein freundliches Wort für jeden. Sie konnte mehrere Dinge gleichzeitig: Geld zählen, schwatzen, Ware abwiegen. Wenn jemand auf Pump kaufte, schrieb sie den Betrag nicht in ein Kontobuch ein. Sie behielt alles im Kopf. Frejdele sagte ihrem Mann oft, er werde im Laden nicht gebraucht und sei überhaupt keine Hilfe. Außerdem vertrieb er Kunden. Er wanderte ziellos im Laden zwischen den Regalen umher, ging hierhin und dorthin und kaute auf seiner Bartspitze, als sei er in tiefes Grübeln über die Philosophie des Handels versunken. Obwohl er nichts tat, war sein Kaftan mehlbestäubt und hatte Ölflecken. Frejdele rief ihm immer über die Ladentheke zu: »Worüber denkst du nach? Warum die Katze einen Schnurrbart hat?«
»Laß mich in Ruhe«, brummte Jechiel zur Antwort.
Auf einmal wurde Jechiel krank. Sein Zustand wurde bald kritisch, und die Ärzte wußten nicht, was ihm fehlte. Einige Leute meinten, daß die zornigen und traurigen Gedanken, die Jechiel in all diesen Jahren durch den Kopf gegangen waren, sich zu einem giftigen Knäuel verknotet hatten. Am Montag hatte er sich ins Bett gelegt, und am Donnerstag war er schon ein Verwandelter, wachsgelb, abgezehrt wie nach langem Fasten. Seine Lippen waren weiß und seine riesigen Augen angsterfüllt. Frejdele knauserte nicht mit Geld. Sie organisierte ein Konsilium von Ärzten und Professoren, aber jeder hatte eine andere Diagnose zu bieten. Es war klar, daß Jechiels Zeit gekommen war. Frejdeles Tränen waren ein Durcheinander von Lachen und Weinen. Sie ging in ihrer Wohnung auf und ab und rang die Hände.
»Er geht dahin«, schluchzte sie laut, »er geht dahin!«
Bevor Jechiel starb, rief er Frejdele zu sich ans Bett und ächzte heiser: »Gib mir deine Hand!«
Frejdele gab ihm ihre Hand. Ihre war warm, seine lau und feucht.
»Versprich mir, daß du keinen anderen heiratest«, röchelte er.
Frejdeles rote Wangen wurden blaß. »Gut, wie du willst«, versprach sie.
Kurz darauf sank Jechiel in ein Koma, aus dem er nie mehr erwachte. Seltsam, dieser Griesgram, den die ganze Straße gehaßt hatte, bekam ein großes Begräbnis. Auf dem Friedhof weinte Frejdele ihre mit Lachen vermischten Tränen und ging dann nach Hause, um Schiwe zu sitzen. Ich habe vergessen zu erwähnen, daß sie keine Kinder hatten.
Nach den sieben Tagen der Schiwe öffnete Frejdele den Laden wieder. Jetzt, da Jechiel nicht mehr darin herumwanderte, kamen noch mehr Kunden als je zuvor. Der Laden war immer voll. Frejdele bediente unglaublich flink und rechnete alle Beträge im Kopf zusammen. Das Geschäft lief so gut, daß sie eine Gehilfin einstellen mußte und später noch ein weiteres Mädchen. Sie mußte ihren Laden vergrößern, weil er immer überfüllt war und man sich nicht rühren konnte. Heiratsvermittler rannten ihr die Bude ein und machten ihr Angebote, doch Frejdele gab allen die gleiche Antwort.
»Ich kann nicht heiraten. Ich habe ihm mein Versprechen gegeben.«
Gelehrte Männer erläuterten Frejdele, daß ein derartiges Versprechen nicht gehalten werden mußte. Das hatte eine Reihe von Rabbis in ähnlichen Fällen entschieden. Doch Frejdele erwiderte, sie habe nicht vor, ihren Eid zu brechen.
»Ich habe mein Leben gelebt«, sagte sie. »Mit dem Spielen und Tanzen ist es für mich vorbei.«
Ihr verschmitztes Lächeln verriet nicht, ob sie traurig oder gleichgültig war. Sie gehörte zu jener Sorte Frauen, die man als ausgeglichen und phlegmatisch bezeichnet – nichts brachte sie aus der Ruhe.
Frejdele war ein Rätsel. Sie sprach wenig von sich. Niemand wußte, was in ihr vorging. War sie traurig? Glücklich? Bisweilen schien Frejdele so im Geschäft aufzugehen, daß ihr keine Zeit oder Energie für andere Gedanken blieb. Ihr Leben spielte sich einzig zwischen Säcken von Mehl, Zucker und Dörrbohnen ab.
Eines Tages öffnete sich unsere Wohnungstür, und Frejdele kam herein. Sie wollte Vater sprechen. Nach einer Weile rief er Mutter hinzu. Folgendes war geschehen:
Frejdele hatte
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