Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Cowboy für Bille und Zottel

Ein Cowboy für Bille und Zottel

Titel: Ein Cowboy für Bille und Zottel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Caspari
Vom Netzwerk:
Aber da fischt sich doch dieser unverschämte Kerl schon wieder die ganzen Lachsbrötchen raus! Am liebsten möchte ich ihm auf die Pfoten hauen! Bille warf dem „unverschämten Kerl“ ein zuckersüßes Lächeln zu und entzog ihm sanft die Platte.
    „Gib dem blonden Vollmondgesicht da drüben nichts mehr!“ flüsterte sie Bettina zu. „Der hat schon mindestens zwei Dutzend Brötchen verdrückt! Uff — ich kriege kaum noch Luft. Ich wünschte, ich wäre an Karlchens Stelle!“
    Aber auch Karlchen geriet ins Schwitzen. Er wußte beim besten Willen nicht mehr, wo er die Besucher mit ihren Wagen hindirigieren sollte. Zwei, drei Plätze konnte er noch freimachen, wenn er Zottel mit der Kutsche von der Garage wegbrachte. In einer kurzen Verschnaufpause, in der kein Auto am Horizont zu sehen war, nahm er das Pony und führte es hinter das Haus. Blitzschnell schirrte er Zottel aus und schob den Wagen auf den Rasen.
    Aber wohin mit Zottel? Am besten in den Schuppen. Da hatte er schon früher mal genächtigt und die ein, zwei Stunden würde er es wohl aushalten.
    Karlchen schloß die Tür und schob Zottel ins Dunkle.
    „So, da kannst du wenigstens nicht abhauen. Verdammt, da kommt schon der nächste.“
    Karlchen schloß hastig die Tür ab und lief ums Haus. Drinnen klopfte der Professor an sein Glas.
    „Meine sehr verehrten Damen und Herren — darf ich einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Da wir nun wohl vollzählig versammelt sind, möchte ich Ihnen eine kleine Einführung in das Werk unseres jungen Freundes hier geben.“ Die Gespräche ebbten ab. „Pssst, pssst!“ ging es durch den Raum. Der Professor räusperte sich, dann begann er von Thorstens Werdegang zu erzählen, von seinen Lehrern und Vorbildern, von seinen bevorzugten Materialien, von Farbschattierungen des Metalls, von Strukturen, Licht und Schatten, Material gewordenen Vorstellungen, zu Formen geronnenem Geist. Florian gähnte herzhaft und erntete einen strafenden Blick von seinem Vater.
    Jetzt ging der Professor auf die einzelnen Werke Thorstens ein, stellte erst dieses, dann jenes vor. Das dicht gedrängt stehende Publikum wich ehrfürchtig zurück und quoll wie ein aufgehender Hefeteig mal in diese, mal in jene Richtung. Thorsten hielt sich, rotglühend vor Stolz, bescheiden im Hintergrund, und Inge hing hingerissen an seinem Arm.
    Bille und Bettina benutzten die Gelegenheit, schmutzige Gläser einzusammeln und durch frische zu ersetzen, volle Aschenbecher auszuleeren und abgegebene Teller nach draußen zu tragen. Die drei Jungen entkorkten im Hof neue Flaschen.
    „Und jetzt, meine verehrten Herrschaften, möchte ich Sie mit dem Höhepunkt dieses Abends bekannt machen. Es ist wohl das gelungenste und reifste Werk unseres Künstlers — wir haben es deshalb auch in einem besonderen Raum aufgestellt, damit seine Wirkung durch nichts abgeschwächt wird. Es handelt sich um die Skulptur ,Der Sterbende Schwan’, eine Eisenkonstruktion, die ihrem Gewicht zum Trotz an Leichtigkeit und tänzerischer Harmonie nicht zu überbieten ist. Ich darf Sie nun bitten, mir zu folgen.“
    Begeisterter Applaus dankte dem Professor für seine Rede und übertönte das verzweifelte Quietschen und Wiehern, das beim Öffnen der Tür hörbar wurde. Von anhaltendem Applaus begleitet schritt der Professor auf den Schuppen zu. Ihm folgten Thorsten und Inge, die unauffällig den Lichtschalter drückte. Dicht drängten die Gäste hinterher. Der Professor drehte den Schlüssel, ergriff die Türklinke und wandte sich, indem er die Tür öffnete, an die Besucher.
    „Meine Herrschaften! ,Der Sterbende Schwan“!“
    Einen Augenblick herrschte fassungsloses Schweigen. Selbst Zottel in seinem Gefängnis, geblendet von der plötzlichen Helle und erschöpft von dem Kampf mit dem, piksenden Ungeheuer im Schleier, stand zitternd still und gab keinen Mucks von sich.

    „Wie nennt er das?“ flüsterte ein älterer Herr im Hintergrund, der nicht sehr gut sah.
    „Der Sterbende Schwan“, antwortete seine Begleiterin kichernd.
    „Ist das ein Happening?“ fragte eine naive Blonde und zerrte nervös an ihrem Pelzmantel.
     „Aber meine Liebe!“ rügte der Kritiker, der schon ein bißchen zuviel getrunken hatte. „Happenings sind out. Hoffnungslos out! Dies hier ist — nun, ich würde sagen...“ Der zündende Fachausdruck, nach dem er suchte, war offensichtlich seinem weinumnebelten Gehirn entrutscht.
    „Neuer Realismus?“ fragte eine Dame in einem Gewand aus Großmutters

Weitere Kostenlose Bücher