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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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der Badewanne und ließ (obwohl die Quecksilbersäule des kleinen Außenthermometers bereits wieder auf 29 Grad Celsius geklettert war) heißes Wasser einlaufen.
    Sie liebte es, von knisternden Schaumbergen bedeckt, ausgestreckt im warmen Wasser zu liegen und sich mit Blick an die Decke, dabei ein halbvolles Glas Prosecco in der aus dem Schaum aufragenden Hand und eine qualmende John Player Special im Mundwinkel, sich in Mireilles Welt hineinzuträumen. In der Badewanne konnte sie grundsätzlich am besten nachdenken, und viele der Einfälle, für die ihre Leserinnen sie liebten, waren ihr dort gekommen.
    Bevor das Wasser zu kalt wurde, gönnte sie sich manchmal gegen Ende noch einen kurzen Sinnenrausch, indem sie ihren »kleinen Hügel« so lange mit dem Badeschwamm verwöhnte, bis ihr mit geschlossenen Augen im Moment der Erlösung stoßweise jenes Gurren entfuhr, das ihr bei Martin gleich zu Beginn ihrer Beziehung den Kosenamen »Täubchen« eingebracht hatte.
    Brigitte drehte den Wasserhahn zu, ließ ihr dünnes Nachthemd auf den Boden gleiten und steckte sich eine John Player an. Früher hatte sie Stuyvesant geraucht und noch früher Lord, doch inzwischen kam für sie – wohl auch ein bisschen wegen der schicken schwarz-goldenen Verpackung – nichts anderes mehr als Players in Frage. Auf das eigentlich obligatorische Glas Prosecco verzichtete sie ausnahmsweise. Dafür drehte sie – sie hatte plötzlich Lust auf Musik – das kleine, auf dem Fensterbrett stehende Transistorradio an und stieg in die nach Maiglöckchen duftenden Schaumberge.
    Auf der Küchenuhr rückte der lange schwarze Zeiger entschlossen auf die 12 vor, und der Sprecher sagte: »Elf Uhr, Sie hören Nachrichten!«
    Brigitte, die nichts mehr hören wollte von Hormonskandalen, politischen Untersuchungsausschüssen und Massenhinrichtungenvon Gefangenen wie zuletzt im Iran, wäre normalerweise auf der Stelle zum Radio geeilt und hätte es abgeschaltet. Doch nun, da sie schon in der Wanne lag, entschied sie sich dafür, in der wohligen Wärme liegen zu bleiben und das Gerede des Nachrichtensprechers heldenhaft zu ertragen oder, so gut es eben ging, zu ignorieren.
    »Gladbeck: Die beiden Schwerverbrecher, die am gestrigen Dienstag gegen 8 Uhr bei einem Überfall auf die Filiale der Deutschen Bank in Gladbeck-Rentfort 420 000 Mark erbeutet und anschließend zwei Geiseln in ihre Gewalt gebracht haben, sind am Vorabend nach dreizehnstündigen Verhandlungen mit der Polizei in einem Fluchtfahrzeug in Richtung Norden abgefahren. Polizeiangaben zufolge sind die schwerbewaffneten Männer in einem weißen Audi am Morgen in Bremen eingetroffen. Wie es weiter heißt, hätte einer der Bankräuber zuvor auf einer Raststätte einem Polizisten seine Dienstwaffe und ein Funkgerät entwendet …«
    Angewidert kniff Brigitte die Augen zu und zog, um weiteren Unheilsbotschaften zu entkommen, den Kopf unter Wasser.
    ***
    Sie waren den Schildern Bremen-Vegesack/Burglesum/Autofähre gefolgt, hatten eine halbe Stunde später mit der kleinen Fähre von Lemwerder aus nach Vegesack übergesetzt und fuhren nun auf der Hermann-Fortmann-Straße, die sich an engstehenden, rußgeschwärzt wirkenden Häusern und kleineren Geschäften vorbei durch Vegesack wand.
    »Ich hab in Bremen Verwandte!«, hatte Marion am frühen Morgen gesagt, als Rösner den BMW, den sie sich am Ortsausgang von Gladbeck besorgt hatten, bei Münster volltankte und sie kurz darüber sprachen, wie es weitergehen sollte.
    Inzwischen waren sie über zwölf Stunden im Auto. Reinhard Allbeck klagte über Übelkeit, und Andrea Branske hatte schonseit Stunden kein Wort mehr gesprochen. Teilnahmslos saß sie neben Degowski und hielt seit ein paar Minuten die Augen geschlossen. Auf ihrem müden, wächsernen Gesicht schimmerte eine dünne Schweißschicht.
    Rösner folgte weiter der langgezogenen Hermann-Fortmann-Straße und hielt Ausschau nach einer Telefonzelle, die einerseits abgelegen war, ihm andererseits eine gute Sicht auf den vorbeifließenden Verkehr bot. Er musste Schönwald wieder anrufen. Schönwald musste mit der Polizei reden und ihr seine neuen Forderungen durchgeben. Er wollte, verdammt noch mal, endlich verhandeln.
    Seit ein paar Minuten waren die Journalistenfahrzeuge wieder an ihnen dran, hingen wie Magneten an seiner Stoßstange. Am liebsten hätte er auf offener Strecke angehalten und ein paar Schüsse auf sie abgefeuert, damit die ihn endlich in Ruhe ließen.
    Rösner schob sich eine von den

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