Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mayle
Vom Netzwerk:
Tagesgerichten. Sam entschied sich für Lammkoteletts – einfache, rosige und perfekt zubereitete Lammkoteletts, gefolgt von Käse und einem Karamellsoufflé als krönendem Abschluss. Die Wahl des Weines überließ er dem Kellner. Mit einem zufriedenen Seufzer lehnte Sam Levitt sich in dem Stuhl zurück, während seine Gedanken zum letzten Abendessen vor seiner Abreise aus Los Angeles schweiften.
    Das war im Rahmen jener Schlemmertouren gewesen, die er regelmäßig mit seinem Polizeispezi unternahm, dem Lieutenant
Bob Bookman. Sie hatten sich für ein Restaurant in Santa Monica entschieden, das derzeit in aller Munde war, ein Gourmettempel, den Extremen der Fusionsküche und wagemutigen kulinarischen Experimenten geweiht. Es glich, wie es in einer spannenden Restaurantkritik hieß, einem gastronomischen Laboratorium. Sam und Bob hätten es eigentlich besser wissen müssen. Es gab zahllose, äußerst übersichtliche Gänge – einige kamen auf einem Teelöffel thronend an den Tisch, andere waren in einer gläsernen Pipette angerichtet. Die Soßen wurden in einer Spritze verabreicht, und die Gäste erhielten von einem reichlich affektierten Kellner genaue Anweisungen, wie jeder einzelne Gang zu sich genommen werden sollte. Während sich ein essbares Juwel an das nächste reihte, in lautloser Stille einverleibt, wurde der stattliche Lieutenant immer verdrießlicher. Er bat um Brot, nur um mitgeteilt zu bekommen, dass der Küchenchef prinzipiell kein Brot zu seinen Kreationen dulde. Als der Ober sich verzückt über das dessert du jour ausließ, eine Eier-mit-Schinkenspeck-Eiscreme, war Bob Bookmans Geduld endgültig erschöpft. Er schien kurz davor zu sein, den Tisch wütend umzustoßen. Fluchtartig verließen sie das Etablissement, auf der Suche nach etwas Essbarem.
    Die Tische rund um Sam begannen sich nun zu füllen, und sein Blick fiel auf ein Paar, das Seite an Seite am Tisch gegenüber saß. Der Mann war mittleren Alters, gut gekleidet und dem Personal des Cigale Récamier allem Anschein nach bestens bekannt. Seine Begleiterin war ein zierliches junges Mädchen, schätzungsweise achtzehn, deren Gesicht an Jeanne Moreau in jungen Jahren erinnerte. Der Mann redete, und sie hörte aufmerksam zu. Sie saßen dicht beisammen, studierten dieselbe Speisekarte. Sam ertappte sich dabei, dass er die beiden anstarrte.

    »Die ist niedlich, nicht wahr?«, sagte der Kellner zu Sam, als er die Lammkoteletts brachte, und warf einen verstohlenen Blick zu dem jungen Mädchen hinüber. Sam nickte. »Monsieur ist seit Langem Stammkunde, und das Mädchen ist seine Tochter«, fuhr der Ober mit verhaltener Stimme fort. »Er bringt ihr bei, wie man sich benimmt, wenn man mit einem Mann essen geht.« Das gibt es nur in Frankreich, dachte Sam.
    Später, als er auf dem Rückweg zum Hotel Montalembert einen Abstecher durch die Seitenstraßen machte, sann Sam über seinen freien Tag nach. Von Manet und Monet bis hin zu den Lammkoteletts war es eine Wiederentdeckungsreise gewesen, durchsetzt von nostalgischen Anwandlungen. Trotz der unbelaubten Bäume bot Paris ein hinreißendes Bild. Die Pariser, für ihre Überheblichkeit und Reserviertheit bekannt, liefen Gefahr, ihre Reputation zu verlieren, denn sie hatten sich von ihrer liebenswertesten Seite gezeigt. Die melodischen Klänge der französischen Sprache, die ihn umgaben, der anheimelnde Duft des noch warmen, frisch gebackenen Brotes, der aus der boulangerie drang , das stahlgraue Glitzern der Seine – alles war noch genauso, wie er es in Erinnerung hatte. Und dennoch wirkte es spannend und neu. Das war typisch für Paris.
    Er hatte den Tag auf lohnenswerte Weise verbracht. Angenehm erschöpft, legte er sich in die heiße Badewanne, um den Jetlag aus seinen Knochen zu vertreiben, und schlief wie ein Murmeltier.

8. Kapitel
    A m nächsten Tag, während des kurzen Fluges nach Bordeaux, verbrachte Sam die Zeit damit, über den Unterschied zwischen einem Flugzeug voller Franzosen und einem Flugzeug voller Amerikaner nachzusinnen. Als er auf seinem Sitz Platz nahm, hatte er als Erstes den Eindruck, dass der Geräuschpegel in der Kabine niedriger war. Die Gespräche klangen gedämpft, spiegelten die abgrundtiefe Angst der Franzosen vor ungebetenen Zuhörern wider. Die Passagiere waren schlanker und dunkelhaariger; es befanden sich nur wenige Blondschöpfe beiderlei Geschlechts darunter. Man sah weniger iPods, aber mehr Bücher. Die amerikanische Manie, auf Schritt und Tritt eine Wasserflasche

Weitere Kostenlose Bücher