Ein Ex, ein Kuss - und neues Glück?
Mutter ihr zu. „Aber noch wichtiger ist, dass sie spüren, dass sie geliebt werden.“ Sie betrachtete ihre Enkelin. „Phoebe war bestimmt überglücklich. Wie gut, dass sie wenigstens diese wenigen schönen Wochen mit ihrer Tochter hatte.“
„Ja …“ Grace wollte noch etwas sagen, aber es gelang ihr nicht. Der dicke Kloß in ihrem Hals hinderte sie daran.
„Und du, Grace? Was brauchst du, um überglücklich zu sein?“
Sie zuckte mit den Schultern. Einige Wünsche mussten für immer Wünsche bleiben. „Komm doch mit in die Küche, dann frühstücken wir erst mal“, schlug sie vor, um das Thema zu wechseln.
„Danke, aber ich habe keinen Hunger. Ich bin nur müde“, erwiderte Dawn. „Es tut mir so leid, dass ich nicht rechtzeitig hier war, um dir mit den Vorbereitungen für die Beerdigung zu helfen.“
„Da gab es nicht so viel zu tun, die beiden haben ganz genaue Anweisungen hinterlassen. Sie wollten, dass ihre Asche in einem Wald beigesetzt wird. Wenn du dich etwas ausgeruht hast, können wir ja zusammen hinfahren. Josh war auch noch nicht dort, er ist erst gestern angekommen.“
Ihre Mutter nickte. „Darf ich kurz telefonieren? Ich würde gern jemandem Bescheid sagen, dass ich gut hier angekommen bin. Und dann bade ich vielleicht und lege mich ein Weilchen hin.“
„Natürlich darfst du von hier aus telefonieren“, erwiderte Grace verwundert. „Hast du jemanden kennengelernt?“
„Findest du, dass ich dafür zu alt bin?“
„Nein, Mum. Ich bin bloß neidisch.“ Sie lächelte. „Du kannst gern das Telefon in Michaels Arbeitszimmer nehmen. Ich bringe deine Tasche inzwischen ins Schlafzimmer im Erdgeschoss. Dann ziehe ich Posie schon mal an und packe Brot zum Entenfüttern ein. Sie ist zwar noch zu klein dafür, aber sie guckt bestimmt gern zu. Phoebe hat auch immer so gern Enten gefüttert.“
Ihre Mutter lachte. „Phoebe?“
„Ja. Hat sie nicht mal unser ganzes Brot den Enten gegeben?“
„Nein, sie hat das Brot dir gegeben, und du hast es an die Enten verfüttert. Auf diese Weise warst du gut beschäftigt. Sie hatte nämlich eigentlich auf dich aufpassen sollen, während ich Schmuck für den Kunsthandwerkermarkt vorbereitet habe.“
Jetzt, im Nachhinein, war Grace völlig klar, wie schwer es damals für ihre Mutter gewesen sein musste, ganz allein für ihre zwei Töchter zu sorgen, während sie mit dem Minibus von Ort zu Ort fuhr, von Kunsthandwerkermarkt zu Kunsthandwerkermarkt.
Ein Leben, auf das sie sich ursprünglich eingestellt hatte, um mit dem Mann zusammen sein zu können, den sie geliebt hatte. Und sie hatte nicht aufgehört, ihn zu lieben – selbst nachdem er eines Tages verschwunden war. Bestimmt hatte sie sich schrecklich einsam gefühlt.
So etwas Ähnliches steht mir jetzt auch bevor, dachte Grace. Immerhin habe ich durch meinen Laden ein geregeltes Einkommen. Und ich sorge dafür, dass das so bleibt. Posie zuliebe.
„Phoebe hat dir damals unser Abendbrot zum Entenfüttern gegeben, um mir damit zu signalisieren, dass sie Wichtigeres zu tun hat, als auf ihre kleine Schwester aufzupassen“, erklärte Dawn.
„Nein!“ Das konnte Grace kaum glauben. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie war doch immer so ein fürsorglicher, aufmerksamer, guter Mensch.“ So jedenfalls kannte sie ihre Schwester im Erwachsenenalter.
„Mit dir hatte sie ja auch nie Probleme“, erwiderte ihre Mutter. „Nur mit mir. Tja, wir wissen beide, dass ich keine besonders vorbildliche Mutter war. Das hat mir Phoebe auch deutlich zu verstehen gegeben, als ich dich damals von ihr abholen wollte. Nachdem ich vier Wochen wegen Sachbeschädigung und Belästigung der Allgemeinheit hinter Gittern verbracht habe.“
„Wie bitte? Du wolltest mich abholen?“ Dann hatte ihre Mutter sie also doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen wollen. „Das wusste ich ja gar nicht.“
Phoebe hatte ihr das nie gesagt. Offenbar hatte ihre große Schwester mehrere Geheimnisse in ihrem Leben gehabt. Dieses hatte sie nicht mal Grace erzählt.
„Wir haben uns schließlich darauf geeinigt, dass du bei ihr und Michael besser aufgehoben bist. Dass es für dich wohl am besten wäre, wenn du in einem festen Zuhause aufwächst, in einer sicheren Umgebung. Du glaubst gar nicht, wie schwer es mir gefallen ist, dich bei Phoebe zu lassen.“
Dawn seufzte. „Ich habe dich so sehr geliebt, da kam es mir so vor, als hätte man mir den rechten Arm amputiert. Aber ich wusste, dass es dir bei ihr besser gehen
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