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Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Gesicht, dann zog sie ihr Nachthemd an und legte ihre Kleider über den Stuhl. Ich nahm an, daß sie im Bett lag, als er sie überfiel. Er könnte ihr Haus aus der Dunkelheit der Bäume oder der Sträucher beobachtet haben. Er könnte gewartet haben, bis er annahm, daß sie schlief. Oder er könnte sie früher bereits beobachtet und jetzt genau gewußt haben, zu welcher Zeit sie von der Arbeit heimkam und zu Bett ging.
    Ich erinnerte mich an die Bettdecken. Sie waren nach unten eingeschlagen, als ob sie darunter gelegen hätte, und es gab keinen Hinweis auf einen Kampf irgendwo anders im Haus. Etwas anderes fiel mir ein.
    Der Geruch, den Matt Petersen erwähnt hatte, der schweißige, süßliche Geruch. Wenn der Mörder einen besonderen und ausgeprägten Körpergeruch hatte, dann würde er überall zu riechen sein, wo er gewesen war. Er hätte in ihrem Schlafzimmer zu riechen sein müssen, wenn er sich darin versteckt hätte, bevor Lori heimkam. Sie war Ärztin.
    Gerüche sind oft Hinweise auf Krankheiten oder Gifte. Ärzte werden darauf trainiert, sensibel für Gerüche zu sein, so sensibel, daß ich oft vom Geruch des Blutes an einem Tatort sagen kann, was das Opfer getrunken hat, bevor es erschossen oder erschlagen wurde. Blut oder Mageninhalt, der nach modrigen Pilzen oder Mandeln riecht, kann ein Hinweis auf Zyanide sein. Ein Geruch nach nassen Blättern in der Atemluft eines Patienten kann ein Hinweis auf Tuberkulose sein. Lori Petersen war Ärztin wie ich.
    Hätte sie einen sonderbaren Geruch wahrgenommen, als sie in ihr Schlafzimmer kam, dann hätte sie sich nicht ausgezogen, sondern gesucht, bis sie herausgefunden hätte, woher der Geruch kam. Cagney hatte solche Sorgen nicht gehabt, und es gab Zeiten, in denen ich mich vom Geist meines Vorgängers, dem ich nie begegnet war, verfolgt fühlte, ein Sinnbild von Kraft und Unverletzlichkeit, wie ich sie nie haben würde, und ich glaube, ein Teil von mir beneidete ihn.
    Sein Tod kam plötzlich. Er fiel buchstäblich tot um, als er den Wohnzimmerteppich überquerte, um die Footballmeisterschaft im Fernsehen anzuschalten. In der frühmorgendlichen Stille eines Montags wurde er selbst zum Objekt seiner eigenen Lehre, ein Handtuch über sein Gesicht gelegt, der Autopsiesaal für jedermann verschlossen, außer für den Pathologen, dessen Los es war, ihn zu untersuchen. Drei Monate lang blieb sein Büro unberührt. Es war genauso, wie er es hinterlassen hatte, außer daß Rose wahrscheinlich die Zigarrenstummel aus dem Aschenbecher geleert hatte.
    Das erste, was ich tat, als ich nach Richmond zog, war, sein Heiligtum bis auf das Gemäuer abzureißen und alle Überbleibsel des letzten Bewohners zu verbannen - einschließlich eines glasgerahmten Porträts von ihm in seiner Universitätsrobe, das unter einer Lampe hinter seinem gewaltigen Schreibtisch hing. Das wurde an die Pathologieabteilung der medizinischen Hochschule weitergegeben, zusammen mit einem Bücherregal voller makabrer Erinnerungsstücke, von denen man allgemein annahm, daß sie zur Sammlung eines Gerichtsmediziners gehörten, auch wenn das für die meisten von uns nicht zutraf.
    Sein Büro - jetzt mein Büro - war hell beleuchtet und mit dunkelblauem Teppichboden ausgelegt, an den Wänden hingen englische Landschaftsdrucke und andere bürgerliche Szenen. Ich hatte wenige Erinnerungsstücke, und das einzige etwas Makabere war eine knöcherne Schädelrekonstruktion eines ermordeten Jungen, dessen Identität nie aufgedeckt worden war. Ich hatte einen Pulli um seinen Hals gelegt und ihn auf die Oberfläche eines Karteischrankes gestellt, von wo aus er die offene Tür mit seinen Plastikaugen beobachtete und in traurigem Schweigen wartete, daß man seinen Namen rief.
    Mein Arbeitsplatz war bescheiden, bequem, geschäftsmäßig, meine Insignien nicht bewußt zur Schau gestellt. Obwohl ich mir selbstgefällig einredete, daß es besser war, als ein Profi betrachtet zu werden, denn als Legende, so hatte ich doch insgeheim meine Zweifel.
    Ich spürte Cagneys Anwesenheit immer noch an diesem Ort. Die Leute erinnerten mich ständig an ihn, durch Geschichten, die immer unwirklicher wurden, je öfter sie erzählt wurden. Er trug selten Handschuhe, wenn er eine Obduktion durchführte. Er war bekannt dafür, essend an den Tatorten anzukommen. Er ging mit den Cops auf die Jagd, er ging auf Grillfeste mit den Richtern, und der damalige Commissioner war unterwürfig zuvorkommend, weil Cagney ihn vollkommen einschüchterte. Ich

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