Ein gefährlicher Gentleman
Wert.«
Luke lenkte sein Pferd um einen Baum mit niedrig hängenden Zweigen herum, die schwer vom kürzlich niedergegangenen Regen waren. »Natürlich darf sie nicht erfahren, warum ich die Bekanntschaften ihres verstorbenen Ehemanns ausforsche?«
»Natürlich nicht.« Michael stimmte gelassen und gleichmütig zu. Der Hufschlag seines Pferds klang auf dem verschlammten Weg gedämpft. »Du willst ihr sicher nicht erzählen, dass der Cousin ihres Manns ein Verräter sein könnte, der hängen wird, sobald wir ihn des Verrats an der Krone überführt haben.«
»Nein«, gab Luke zu. Er schüttelte ein paar Regentropfen aus seinem Haar. »Aber ich bezweifle, dass sie etwas Hilfreiches beitragen kann. Madeline ist nicht der Typ Frau, der Verräter deckt.«
»Sie kennt vielleicht ein winziges, wichtiges Detail, von dessen Bedeutung sie keine Ahnung hat.«
Sie ritten einträchtig nebeneinander her, und Luke freute sich, unter freiem Himmel zu sein, obwohl es noch regnete. Körperliche Ertüchtigung half ihm, seine Unruhe zu bekämpfen. »Wir sind nicht alle so scharfsinnig wie du.«
»Das muss ja auch nicht sein.«
»Stimmt«, gab Luke zu. Er erinnerte sich an Michaels Gefangennahme durch die Franzosen. Es war ein Wunder, dass sein Freund damals nicht gestorben war; sowohl Alex St. James, der damals als Colonel ein Regiment befehligt hatte, als auch er selbst, der als persönlicher Berater Wellington diente, hatten Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um Michael erst zu finden und anschließend zu befreien.
»Du hast deine Vorzüge«, brummte Luke. Er schaute sich um; bei diesem Wetter war der Park verwaist. Sie waren absolut allein, denn die meisten Mitglieder der feinen Gesellschaft zogen es an einem so ungemütlichen Nachmittag vor, ein Dach über dem Kopf zu haben. »Und? Hast du es gelesen?«
Michael tat gar nicht so, als wüsste er nicht, wovon Luke redete. Er konnte der Frage ausweichen, wenn er wollte, aber das tat er nicht. »Ja.«
Michael hatte also Lord Brewers Tagebuch gelesen. »Ich verstehe.« Er warf seinem Freund einen Seitenblick zu. »Und?«
»Und nichts. Ich habe untersucht, ob es in einer Geheimsprache abgefasst ist oder ob es einen Code enthält. Nichts dergleichen. Ich wollte jedenfalls nicht im Privatleben deiner Lady herumschnüffeln.«
»Das hast du aber getan«, sagte Luke frei heraus. Michael lenkte sein Pferd eine kleine Anhöhe hinauf, die von Bäumen umstanden war. Dort brachte er das Tier zum Stehen. Luke folgte ihm. »Das ist nun mal deine Profession, weshalb ich dich dafür nicht verurteile. Aber du musst mir sagen, ob Brewer irgendetwas auf diesen Seiten sagt, das Madeline demütigen könnte, falls Fitch beschließt, sein Leben zu verwirken, indem er es ausspricht.«
Michael wirkte im ersten Moment überrascht, doch dann schienen Lukes Worte ihn zu amüsieren. »Eine ziemlich schwerwiegende Drohung.«
»Diese Angelegenheit ist mir ja auch mehr als wichtig.« Er sagte es, ohne zu zögern. »Und er weiß, dass es mir ernst ist. Ich habe ihm bei unserer letzten Begegnung in Bath sehr deutlich gemacht, dass ich in dieser Sache keinen Spaß verstehe.«
»Unglücklicherweise ist er vielleicht nicht derjenige, der ihr die Strümpfe nebst Strumpfhalter hat zukommen lassen.«
»Wie zum Hades hast du erfahren …«
»Sagen wir, es interessierte mich«, unterbrach Michael ihn, als genügte das als Erklärung. »Und wenn ich interessiert bin, erfahre ich …«
»… alles«, vollendete Luke seinen Satz widerwillig. »Verstehe ich das richtig? Du hast einen Spion in ihrem Haus?«
»Gewissermaßen.«
»Warum?« Unwillkürlich umfassten Lukes Hände die Zügel fester.«
»Beruhige dich.« Michael klang wie immer unglaublich ruhig. Zweifellos hatte er genauso geklungen, als sie ihn halb tot aus einer verwahrlosten Zelle im einstürzenden Fort gezogen hatten, nachdem die Franzosen ihr Bestes gegeben hatten, um ihm die Geheimdienstinformationen zu entlocken, die sie haben wollten.
Luke erinnerte sich noch allzu deutlich daran, wie sein Freund unter all dem Blut und Dreck aschfahl gewesen war. Alex, dessen Regiment das Fort eingenommen hatte, hatte ihm erzählt, Michael sei in einer so kleinen Zelle eingesperrt gewesen, dass er nur geduckt hatte stehen können. Er war in einem grauenhaften Zustand. Luke hatte ihn erst wenige Tage später wiedergesehen, als sie sich im Heerlager trafen. Michael war nur halb bei Bewusstsein gewesen, aber wenigstens hatte man ihn gewaschen und seine Wunden
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