Ein gutes Herz (German Edition)
habe den Eindruck, dass er sich verändert hat«, sagte de Winter. »Das andere Herz… Jimmy Davis… Du hast nie von ihm erzählt.«
»Ich möchte schnell nach Hause«, rief sie ihm zu. »Wir kochen was Leckeres. Und trinken einen guten Wein, okay?«
Sie hatte ihr Rad schon aufgeschlossen und kam damit zu ihm hingelaufen, während er noch sein schweres Kettenschloss löste.
Als er sich aufrichtete, sagte sie: »Leon…«
Sie umklammerte mit einer Hand seinen Arm und legte den Kopf auf seine Schulter.
»Heute Nachmittag… Es tut mir leid, das war unmöglich. Ich war in heller Panik. Da habe ich schreckliche Sachen gesagt.« Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Du bist nicht zu dick. Und du bist jung und großartig im Bett.«
»Jetzt machst du es noch schlimmer«, sagte er. Sie küsste ihn.
»Ich will weg von hier«, rief sie, als sie auf ihr Rad gestiegen war und vor ihm herfuhr. »Zurück nach Juan-les-Pins! Das will ich!«
»Nathan wird nicht mitkommen!«
»Oh. Nein, du hast recht…«
»Du brauchst doch gar nicht mehr zu fliehen, Liebling! Die Reise ist zu Ende! Wir bleiben! Und wir verbringen die Sommer in Frankreich! Und die anderen Ferien!«
Sie antwortete nicht. Sie hatte es eilig, zu ihrem Sohn zu kommen, und trat heftig in die Pedale. Ihr Rock hatte sich hochgeschoben, und er sah ihre Beine in voller Länge. Alles Libido, dachte er, alles Sex; er war der willenlose Sklave ihres Körpers.
De Winter fiel ein, dass er van Ast anrufen musste. Ach wo. Die konnten ihn mal. Sollten sie ihre Erklärungen doch selber schreiben. Er wollte jetzt bei Sonja bleiben. Es war doch völlig gleichgültig, was Cohen sagte. Und wenn er klug war, hielt er am besten ganz den Mund. Das würde er van Ast gleich mailen.
Sein Handy klingelte, und während Sonjas Vorsprung größer wurde – sie hatte bereits beim Rijksmuseum die Straße überquert und radelte Richtung Hobbemakade –, fischte er es aus der Gesäßtasche. Es war Bram Moszkowicz.
Keuchend stieg de Winter an der Ampel ab.
»Max ist gerade weg. Es lief doch ganz gut, oder?«, sagte Moszkowicz.
De Winter schnappte nach Luft. Schon die kurze Strecke von der Herengracht bis hierher hatte ihn erschöpft. Er musste dringend etwas für seine Kondition tun.
»Ja, Max hat sich verändert.«
»In welcher Verfassung ist Sonja gegangen?«
»Sie ist erleichtert. Beruhigt.«
»Reden wir bald noch einmal wegen Eva?«
»Natürlich. Wann immer es dir passt.«
»Ich lass morgen von mir hören. Schönen Abend, mein Lieber.«
De Winter konnte jetzt über die Kreuzung und war überrascht, dass Sonja in der Hobbemakade auf ihn wartete.
»Wo bleibst du denn?«
»Bram rief an. Er war zufrieden. Ich bin es auch.«
»Ich auch«, sagte sie. »Komm, wir fahren nach Hause. Ich habe gerade nachgedacht. Du solltest zu uns ziehen. Okay?«
»Okay«, sagte er.
Sie küsste ihn auf den Mund und radelte wie ein Wirbelwind weiter, mit flatternden Haaren, jetzt ganz hochgerutschtem Rock und fast nacktem Hintern.
Jeder Tag mit Sonja war für den Schriftsteller ein Geschenk. Alles andere war nebensächlich.
18
PIET HEIN
Piet Hein Donner konnte auf eine direkte Konfrontation mit den Trümmern des Opernhauses gut verzichten. Es war sichtlich schlimm. Cohen hatte sich am früheren Abend dort gezeigt und erschien jetzt ein zweites Mal in Begleitung von Ministerpräsident Rutte vor Ort. Donner konnte das Ganze auf einem gigantischen Flatscreen-Fernseher im Saal verfolgen, während er ziellos umherschlenderte. Hin und wieder machte er sich ein paar Notizen. Er sprach niemanden an. Wollte keine Unterhaltungen, keine Diskussionen. Den Kopf frei haben – das wollte er.
Die Fernsehsender hatten ihre Programme geändert und brachten zunächst geistlose Diskussionen von Experten, die alle möglichen Theorien vortrugen. Ein Anschlag von links, von rechts, von Migranten, von Einheimischen. Die Flugzeugentführung setzte dem ein unsanftes Ende: Sie hatten es mit islamistischen Terroristen zu tun. Die Nachricht ging um die ganze Welt.
Aufgrund ihrer Forderungen, der Freilassung von Boujeri und Ouaziz, wurden Polizei und Nachrichtendienste auf die Fährte von Ouaziz’ Sohn gebracht. Und dann binnen einer halben Stunde auf die der Fußballer. Allesamt noch sehr jung. Auf der Suche nach etwas Großem, Unumkehrbarem. Auf der Suche nach Ruhm und weltweiter Anerkennung, zumindest in bestimmten Kreisen.
Donner kam aus einer Familie von Männern mit leitender und lenkender Funktion. Einer
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