Ein gutes Herz (German Edition)
Jungen hatten weitere Forderungen gestellt. Sie hatten Hunger. Sie gaben eine Liste von Bestellungen durch. Bei ›New York Pizza‹. Pizzen mit Halal-Salami, einer Extraportion Käse und Tomate, Cola und dergleichen mehr. Auch Wein und Wodka und Whisky. Konsequent waren sie nicht. Und dann noch etwas.
In dem warmen Saal mit den verdunkelten Fenstern, den mit Kaffeebechern, Getränkeflaschen, Tellern mit Essensresten vollgestellten Tischen, an denen Beamte vom Staatsschutz AIVD, von der Terrorabwehr NKTS, von Polizei und Nachrichtendiensten um Laptops, Handys, Sende- und Empfangsgeräte, mit denen sich verschlüsselt kommunizieren ließ, versammelt waren, hatte Donner sich den Mitschnitt zweimal angehört.
Ihr Unterhändler Pim Dubois hatte sich zu den Fluglotsen begeben und über das Cockpit des gekaperten Flugzeugs Kontakt zu einem der Jungen hergestellt, der sich Ruud nannte. Er war der Wortführer. Als Dubois Donner hören ließ, was sie forderten, erklärte er kopfschüttelnd: »So etwas ist mir noch nie untergekommen. Ich habe in den letzten fünfzig Jahren Hunderte von Gesprächen mit Entführern und Geiselnehmern aus der ganzen Welt studiert, aber das ist mir neu. Das ist alles ziemlich schräg.«
Dubois hatte das Gespräch auf einem iPad gespeichert. Donner hörte es mit Kopfhörern ab, die aber kaum dazu beitrugen, die Geräusche im Raum abzuschirmen. Er legte zusätzlich die Hände darüber. Er hörte: »Wir lassen zehn Leute gehen, wenn wir die Pizza haben. Ihr müsst eine Gangway ans Flugzeug fahren. Stellt alles davor ab. Wenn ihr irgendwelche Tricks versucht, töten wir einen der Passagiere. Wir geben die Bestellung selbst auf, ›New York‹ in Hoofddorp, am Kruisweg, okay?«
Er hörte sich an wie ein Kind. Ein kleiner Junge.
»Ihr bestellt selbst. Ja. Ihr ruft an, und wir bezahlen, okay«, antwortete Dubois.
»Keine Tricks. Schlafmittel oder so. Wir wissen genau, wie lange es dauert, bis die Bestellung ausgeführt wird. Wir sind Experten auf dem Gebiet von Pizzabacken und Pizzabestellung, verstanden?«
»Verstanden.«
Zur Fußballmannschaft gehörte einer, der Rouwad hieß. Der nannte sich jetzt offenbar Ruud. Er war sechzehn. War in der vierten Klasse der höheren Schule. Man hörte, dass er einen marokkanischen Akzent hatte. War sprachbegabt. Hatte auch in Mathematik viel drauf.
»Und DVD s. Wir werden hier wohl noch eine Weile warten müssen. Vom vergangenen Jahr haben wir schon alles gesehen. Wir wollen Klassiker. Die Die Hards, alle. Alien, den alten von 1979. Gut scheint auch der deutsche Film Das Boot zu sein. Und den ersten Terminator. «
Im Hintergrund rief ein anderer: »Und The Wild Bunch von ’69!«
» The Wild Bunch von ’69«, wiederholte Ruud.
»Habe ich notiert.«
»Und sechs Huren, Mann.«
Gejohle auf dem Band. Darauf hatten Ruuds Kumpel wohl nur gewartet.
»Was hast du gesagt?«
»Huren. Wir wollen bumsen.«
Wieder Gejohle.
»Da sehe ich schwarz, Ruud. Das wird niemals genehmigt.«
»Seid mal eben ruhig, Jungs, ich kann ihn ja gar nicht verstehen. Dann rufen wir Callgirls an. Die heißen Callgirls, weil man sie anrufen muss. Ihr bezahlt. Genau wie die Pizza, okay?«
»Damit werdet ihr euch, glaube ich, nicht viele Sympathien erwerben, Jungs.«
»Mann, wir werden dafür sorgen, dass ganz Holland davon erfährt. Die werden uns alle beneiden, Mann. Wir rufen einfach an, und du wirst sehen, dass es immer Weiber gibt, die gerne kommen. Tausend Euro pro Frau, okay? Wir wollen Top-Huren!«
»Das kann ich nicht einfach absegnen, Ruud. Ich muss mich erst mit meinen Chefs besprechen.«
»Red keinen Scheiß, Pim. Weißt du was? Wir behalten sechs Frauen an Bord, bis die Huren da sind. Wir suchen uns die sechs Hübschesten raus, und wenn wir keine Huren kriegen, nehmen wir die. Wir wollen Pizza und was zu saufen und Filme und Frauen! Und sorg dafür, dass Boujeri herkommt. Warum dauert das so lange? Was soll das, Pim?«
»Das geht alles seinen Gang, Ruud. Alle zuständigen Minister haben jetzt unterzeichnet. Er kann jeden Augenblick freigelassen werden.«
»Mitternacht. Bis dann muss er hier sein.«
Donner dachte: Großspurige, über die Stränge schlagende Jungs, die sich aufführen, als spielten sie in einer banalen Realityshow Urlauber, die an die Costa Blanca reisen. Sie wirkten nicht gerade wie eine zusammengeschweißte Truppe gut ausgebildeter Dschihadisten. Doch unter Fußballern galten sie als unerhört diszipliniert. Sie trainierten hart. Sie waren
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