Ein gutes Herz (German Edition)
Geburtstag feiern, verdammt. Jetzt wurde uns vielleicht alles verdorben. Shit. Und da bekam ich plötzlich schreckliche Angst. So sehr, dass ich mir in die Hose machte. Ich betete, dass Lia das nicht sehen würde.
24
SONJA
Nachdem sie Nathan zur VSV gebracht hatten, radelten sie zu ›Le Pain Quotidien‹ in der Cornelis Schuytstraat. Leon bestellte sich nur zwei gekochte Eier und nahm sich vor, das Brot stehenzulassen, doch der exquisite Inhalt des Körbchens war zu verlockend, und am Ende strich er sich sogar noch Butter auf die dicken Scheiben rustikalen französischen Bauernbrots. Alles in der Bäckerei war rustikal und luxuriös. Sonja ließ ihn. Sie hatte noch ein schlechtes Gewissen wegen all dem, was sie ihm am Tag davor an den Kopf geworfen hatte. Und es war auch immer so anrührend, wie er aß, ganz bedacht und mit großem Appetit. Es entspannte sie direkt; vor allem aber war sie todmüde.
Sonja ließ sich eine Riesentasse Café au Lait schmecken und strich sich etwas von der köstlichen Nusscreme aufs Brot. Sie hatte die Begegnung mit Max ausgehalten. Sie hatte sich zusammengerissen und keine Angst gehabt, das heißt, sie hatte schon Angst gehabt, als sie Brams Kanzlei betreten hatte, aber das hatte sich binnen weniger Minuten gelegt, und sie war zu der Überzeugung gelangt, dass sie das Gebäude unversehrt – in emotionaler Hinsicht unversehrt – wieder verlassen würde. Sie hatte überstanden, wovor sie sich seit mehr als zehn Jahren gefürchtet hatte, nein, was sie mit Panik erfüllt hatte. Und es war gar nicht schwer gewesen.
Gut, Max hatte sich vielleicht verändert, und die Geschichte mit dem Herz war wirklich sonderbar. Aber womöglich stimmte das alles ja gar nicht, bei Max wusste man nie, was Wahrheit war und was Lüge. Er könne nicht für immer in der Stadt bleiben, hatte Leon gestern Abend behauptet. Es gebe da eine Vereinbarung zwischen Max und der Justiz. Man habe 2001 zwar nicht genug gegen ihn in der Hand gehabt, aber man hätte ihm das Leben hier so gut wie unmöglich machen können. Festnahmen, Razzien, Steuerfahndung, das ganze Arsenal an behördlichen Repressalien hätte man gegen ihn auffahren können, bis er mit eingekniffenem Schwanz das Land verlassen hätte, weil er hier kein normales Leben mehr führen konnte. Damit habe man ihm gedroht, so der Herr Schriftsteller, der natürlich sein ganzes Wissen von Bram Moszkowicz hatte. Ein paar Tage lang würde man ihn vielleicht dulden, behauptete Leon, doch dann müsse er verschwinden.
Elf Jahre lang war sie vor Max auf der Flucht gewesen – warum eigentlich, fragte sie sich jetzt. Warum war sie so verrückt gewesen, ihr Leben von diesem Mann steuern und zerstören zu lassen? Dem Mörder ihres Vaters, als den man ihn bezeichnete, nachdem man sie damals aus seinem Schlafzimmer geschleift hatte. Nackt, wie sie war, hatte sie gekämpft, für sich und für ihn. Für den Mann, der ihren Vater hatte verschwinden lassen, wie man ihr einige Stunden später sagte, als sie sich etwas angezogen hatte und im Polizeipräsidium befragt wurde. Man ließ ihn laufen, weil man nicht genügend Beweise gegen ihn hatte. Und weil man einen Formfehler gemacht hatte. Im Entdecken von Formfehlern war Bram stark.
Sonja hatte im Krankenhaus Bescheid gegeben, dass es ihr wieder bessergehe, und sie würde um zwölf Uhr die Nachmittags- und Abendschicht antreten. Leon würde zu sich nach Hause gehen und eine Aufstellung der Sachen machen, die mit ihm umziehen sollten. Vielleicht sollte er sich noch eine kleine Wohnung dazumieten. Ein separates Arbeitszimmer, in dem er auch seine Bücher und sein Archiv unterbringen konnte, wäre vielleicht keine schlechte Idee. Dort könnte er auch durcharbeiten, wenn es sein musste. Das Buch über seine Ex hatte er ad acta gelegt. Er trug sich jetzt mit dem Gedanken, etwas über Theo van Gogh zu schreiben. Aber noch fehle ihm der rechte Zugang, sagte er, die Geschichte lasse sich noch nicht einfangen. Leon war ohnehin ein Nachrichtenjunkie, aber die Ereignisse des vergangenen Tages und der Nacht interessierten ihn jetzt vor allem auch deshalb, weil Mohamed Boujeri, der Mörder von Theo van Gogh, etwas mit dem Ganzen zu tun hatte. Er war heute Morgen um halb sechs an Bord der gekaperten Maschine gebracht worden. Sonja hatte die Wiederholungen der Bilder in der Küche gesehen, als sie Nathan Frühstück machte. Bevor Boujeri im Flugzeug verschwand, machte er das Victory-Zeichen.
Die letzten Meldungen waren, dass die Matrosen,
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